Die Löhne blieben weit zurück
In Spanien sind seit der Einführung des Euro Preiserhöhungen in fast allen Bereichen zu verzeichnen
Anlässlich der Einführung des Euro vor nunmehr zehn Jahren hat die spanische Verbraucherschutzorganisation OCU nachgerechnet, wie sich seither die Preise und Löhne in Spanien entwickelt haben. Das Ergebnis erstaunt nicht. Viele Menschen sehen sich darin bestätigt, dass vor allem Preise für Grundnahrungsmittel zum Teil extrem gestiegen sind.
So rechnet die Verbraucherschutzorganisation vor, die sich dabei auf Angaben der Nationalen Statistikbehörde (INE) stützt, dass sich einige Preise sogar mehr als verdoppelt haben. Heute sind Kartoffeln in Spanien 116 Prozent teurer als 2001. Bei Eiern fiel der Anstieg 114 Prozent aus, aber auch Briefe und Päckchen wurden um 107 Prozent teurer. Nur wenig geringer fiel der Anstieg für Brot aus, das 85 Prozent teurer wurde. Wer in der Grenzregion zu Frankreich lebt, kann seit Jahren feststellen, dass Brot in Spanien längst teurer als im Nachbarland ist. Der Mindestlohn in Spanien ist mit 641 Euro monatlich aber nur gut halb so hoch wie in Frankreich.
Weniger stark verteuerten sich Besuche im Schwimmbad (21 Prozent) oder beim Friseur (12 Prozent). Zeitungen, Parkplätze sowie Essen und Getränke in Kneipen wurden praktisch über Nacht sieben Prozent teurer. Und während sich Zug- und Bustickets im Überlandverkehr um 45 bzw. 48 Prozent verteuert haben, musten im öffentlichen Nahverkehr sogar 58 Prozent mehr ausgegeben werden. Was zeigt, dass auch die öffentliche Hand kräftig zugelangt hat.
Noch deutlicher gestiegen sind die Preise für Wohnungen. In Spanien hatte sich bekanntlich eine Immobilienblase gebildet, die im Jahr 2008 geplatzt ist und für fallende Immobilienpreise gesorgt hat. Dennoch waren neue Wohnungen zuletzt im Vergleich zu 2001 noch immer 66 Prozent teurer und Wohnungen aus zweiter Hand in Barcelona 70 Prozent und in Madrid sogar 78 Prozent teurer. Daher ist es auch kein Wunder, wenn derzeit eine Million neuer Wohnungen leer steht. Um sie verkaufen zu können, werden die Preise noch deutlich fallen müssen.
Günstiger geworden ist hingegen Technik. Die Preise für Fernseher, Musikgeräte und Fotokameras sind zwischen 62 und 72 Prozent gefallen. Videokameras, DVD-Brenner oder Haushaltsgeräte wurden nur zwischen vier bis sechs Prozent günstiger.
Die Löhne und Gehälter haben mit der Inflation nicht mithalten können. Sogar in der Phase des Immobilienbooms zwischen 2001 und 2009 stiegen sie im Durchschnitt nur um knapp 14 Prozent an. Seitdem dürften sie kaum noch gestiegen sein, neuere INE-Daten liegen aber noch nicht vor. Die Löhne könnten sogar gefallen sein, denn in vielen Sektoren wurden in der tiefen Krise Gehälter eingefroren oder gekürzt. Erinnert sei daran, dass die spanische Regierung die Einkommen im öffentlichen Dienst um durchschnittlich fünf Prozent gekürzt hat.
Damit bleiben die Löhne sogar offiziell deutlich hinter der offiziellen Inflationsentwicklung zurück, welche mit 23 Prozent bis 2009 beziffert wird. Bis 2011 haben die Statistiker 32 Prozent berechnet. Damit zeigt sich zwischen 2009 und 2011 ein deutlicher Inflationsschub.
Die OCU kritisiert indes auch die Berechnung der offiziellen Inflationsrate. Nach der Rechnung der Verbraucherschützer habe sich der Warenkorb bis 2011 um 48 Prozent verteuert. Kostete er Mitte 2001, als in Spanien noch in Peseten bezahlt wurde, umgerechnet 4800 Euro, waren es zehn Jahre später schon 6800 Euro. »Wenn die Löhne mit der Inflationsrate gestiegen wären, dann hätten die Spanier 2011 im Durchschnitt brutto 3600 Euro mehr verdienen müssen«, stellt die OCU-Studie fest.
Angesichts der Zahlen muss man sich nicht wundern, dass Spanien tief in der Krise versinkt, was eben auch daran liegt, dass die Kaufkraft selbst derer deutlich gesunken ist, die noch einen Job haben. Der neue Wirtschaftsminister Luis de Guindos, der vor Weihnachten das Amt übernommen hat, erwartet nun, dass Spanien nach der Stagnation im dritten Quartal in die Rezession abrutscht. Der starke Sparkurs, den die neue konservative Regierung angekündigt hat, wird die Konjunktur weiter belasten und auch die Arbeitslosigkeit von momentan 23 Prozent weiter steigen lassen.
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