Alles möglich im Norden

In Schleswig-Holstein will sich keine Partei auf eine Koalition festlegen

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Bundespolitik schaut auf die Landtagswahl am 6. Mai nach Schleswig-Holstein. Dort findet dieses Jahr der einzige Stimmungstest für die Parteien statt. Der Urnengang ist neben der niedersächsischen Landtagswahl im Januar 2013 die letzte Zwischenstation vor der Bundestagswahl.

Die Christdemokraten eröffneten ihren Wahlkampf in Schleswig-Holstein mit der Bundeskanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel höchstpersönlich. Sie kam zur Bundesvorstandsklausur nach Kiel und hatte mehrere Minister im Schlepptau für diverse regionale Neujahrsempfänge der Partei im Land. Merkel sprach 30 Minuten in einem Autohaus vor 1500 Zuhörern, ehe sie so schnell entschwand, wie sie gekommen war. Kein Wort zur Causa Wulff. Hörte man sich an der Kieler Parteibasis um, klang dagegen schon heraus, dass viele fürchten, die Dauerdebatte um den Bundespräsidenten könne der Union im Wahlkampf schaden. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen wollte sich nicht dazu äußern. CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Jost de Jager riet Wulff, die für sein Amt gebührende Ruhe wieder herzustellen.

Von der Affäre um den Austausch ihres Spitzenmannes Christian von Boetticher, der vor wenigen Monaten über eine verstrichene Teenager-Liebelei stolperte, hatte man sich gerade wieder erholt, ehe nun neues, selbst nicht beeinflussbares, Ungemach über die CDU hereingebrochen ist.

Viermal will die Kanzlerin noch bis zum 6. Mai im Norden Flagge zeigen. Diesmal tat sie dies vor einer blassgrünen Plakatwand. Sichtbarer kann die CDU offenbar gar nicht um die Gunst der Grünen buhlen, denn auf die Regierungsfortsetzung mit den Liberalen kann sie nicht mehr bauen, dümpeln diese doch in den letzten Umfragen bei drei Prozent.

Während die Grünen auf Bundesebene sich nur einen Regierungswechsel mit der SPD vorstellen können, fährt die Partei im Norden einen anderen Kurs. Sie will bis zur Wahl einen eigenständigen Wahlkampf ohne Koalitionsaussage führen. Monika Heinold, die jetzt auf dem dreitägigen Kieler Landesparteitag wegen der Frauenquotierung auf Listenplatz 1 gewählt wurde - wogegen die Partei mit dem Listenzweiten Robert Habeck in den nächsten Monaten als Spitzenkandidaten ins Rennen geht - drückt das eigene Selbstbewusstsein so aus: »Wir können rot-grün, aber wir können auch anders« - soll heißen: Auch für ein Bündnis mit der CDU wird eine Tür offen gehalten, zumal es in der Haushaltspolitik mehr Gemeinsamkeiten als mit der SPD gibt.

Die Piratenpartei, die mit der früheren Grünen Angelika Beer in ihren Reihen nach dem Abgeordnetenhaus in Berlin nun auch das Kieler Landeshaus entern wollen, strotzen vor Selbstvertrauen. Seit einigen Monaten verzeichnet sie einen Mitgliederboom. Auf ihrem Fortsetzungsparteitag zur Bestimmung eines Wahlprogramms in Neumünster spielte auch die Wulff-Diskussion eine Rolle. So soll die Abschaffung des Paragrafen 90 des Strafgesetzbuches, der die Verunglimpfung des Bundespräsidenten unter Strafe stellt, über eine Bundesratsinitiative erwirkt werden.

Unterdessen ist trotz einer Koalitionsaussage der SPD gegenüber den Grünen ein Zusammengehen mit der CDU keine Utopie. Spitzenkandidat Torsten Albig und Jost de Jager diskutieren respektvoll miteinander und gestehen Gemeinsamkeiten ein.

Da passt es ins Bild, dass der bei der CDU als »rotes Tuch« geltende Landeschef und Fraktionsvorsitzende Ralf Stegner in diesen Tagen bereits unter der Hand als künftiger SPD-Generalsekretär in Berlin gehandelt wird, weil Andrea Nahles mit Parteiboss Sigmar Gabriel überkreuz liegt. Stegner selbst hat dem Gerücht Nahrung gegeben, indem er verkündete, ihm liege nichts an einem Ministerposten im Kieler Kabinett.

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