Niebel lässt Nicaragua fallen

Deutschland stoppt Entwicklungshilfe für die Ortega-Regierung

Deutschland hält Kurs: Nachdem Heidemarie Wieczorek-Zeul dem ungeliebten sandinistisch regierten Nicaragua ab 2008 die Budgethilfe gestrichen hatte, kündigte ihr Nachfolger Dirk Niebel nun an, die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit komplett einzustellen.

Umstrittene Wahlen gibt es in Entwicklungsländern wie Sand am Meer, nicht nur in Nicaragua: Joseph Kabila wurde Ende November 2011 in der Demokratischen Republik Kongo unter zweifelhaften Umständen im Amt bestätigt. Mwai Kibaki gelang das in Kenia um die Jahreswende 2007/2008, begleitet von hunderten politischen Morden. Mutmaßlicher Wahlbetrug half Felipe Calderón in Mexiko 2006 an die Staatsspitze und in Honduras ebnete ein Militärputsch dem Großgrundbesitzer Porfirio Lobo 2009 den Weg an die Macht mittels dubioser nachgeschobener Wahlen. Was diese Länder sonst noch eint? Sie gehören wie Nicaragua zu den ausgesuchten Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, und in keinem Fall wurde die aufgrund der Vorkommnisse aufgekündigt.

Umstrittene Wahlen gab es im vergangenen November in Nicaragua, wobei sich dort wie in Russland die Frage stellt, warum eigentlich Wahlbetrug, wenn die Wahlen auch ohne ihn, wenngleich knapper, zum Machterhalt geführt hätten. Nicaraguas alter und neuer Präsident Daniel Ortega erhielt fast 63 Prozent der Stimmen und damit weit mehr als sein konservativer Gegenkandidat Fabio Gadea mit 31 Prozent. 2006 reichten Ortega noch 38 Prozent zur Rückkehr an die Macht, die der sandinistische Revolutionsführer 1990 nach verlorenen Wahlen friedlich an Violeta Chamorro abgegeben hatte.

Für Deutschlands Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sind Nicaraguas Wahlen nun Anlass, auf seiner Lateinamerika-Reise für Schlagzeilen zu sorgen: Deutschland stoppt die Entwicklungshilfe für das mittelamerikanische Land. »In Nicaragua werden wir aus der klassischen bilateralen Kooperation aussteigen«, kündigte Niebel im epd-Gespräch an. Grund seien unter anderem eine undurchsichtige Regierungsführung und demokratische Defizite in dem Land. Den Ausschlag hätten schließlich die Präsidentenwahlen vom vergangenen November gegeben, sagte Niebel am Montag (Ortszeit) in Costa Rica zum Abschluss einer fünftägigen Reise, die ihn zuvor nach Chile geführt hatte.

Verantwortlich für Wirtschaftsentwicklung und damit Armutsbekämpfung sei in erster Linie die jeweilige Regierung des Empfängerlandes, betonte Niebel und fügte hinzu: »Das sehen wir als nicht ausreichend gegeben in Nicaragua.« Bereits bestehende Zusagen für Nicaragua würden indes eingehalten, versicherte der Minister. »Wir brechen keine Projekte ab. Wir hinterlassen keine Entwicklungsruinen.«

Heike Hänsel, entwicklungspolitische Sprecherin der Bundestags-Linksfraktion, hält Niebels Vorgehen für heuchlerisch und inakzeptabel: »Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass Niebel die Entwicklungshilfe für Nicaragua mit dem Verweis auf nicht gegebene Erfolge in der Armutsbekämpfung und demokratische Defizite aufkündigt.« Gleichzeitig werde in Honduras eine Regierung mit Entwicklungshilfe unterstützt, die durch von Putschisten kontrollierte Wahlen an die Macht gekommen sei. Niebelsche Logik. Denn ausgerechnet die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung gehörte zu den wichtigsten Unterstützern der honduranischen Putschisten.

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