Unterkomplexe Debatte

Schwarz-Gelb wollte im Bundestag die LINKEN als Diktatorenfreunde vorführen

Weil sechs Bundestagsabgeordnete der LINKEN einen Aufruf gegen militärische Drohungen in Richtung Syrien und Iran unterschrieben haben, setzten Union und FDP gestern eine Aktuelle Stunde dazu auf die Tagesordnung des Parlaments. Es wurde eine Lehrstunde in platter Frontalagitation.

Die Tränendrüsen waren im Plenum des Bundestages weit geöffnet: CDU und CSU stünden an der Seite des unterdrückten syrischen Volkes, verkündete beispielsweise Andreas Schockenhoff, außenpolitischer Experte der Unionsfraktion. Die LINKE dagegen mache sich gemein mit Diktatoren, die den Weltfrieden bedrohen. Irrwitzige Verschwörungstheorien diagnostizierte ein SPD-Redner bei der Linkspartei, die sich - so das emotionale Nachbeben der FDP-Politikerin Birgit Homburger - zum Mittäter von Syriens Präsident Assad mache.

Was war geschehen? Sechs Abgeordnete der LINKEN hatten einen Aufruf unterschrieben, in dem vor einem militärischen Eingreifen des Westens in Syrien und Iran gewarnt wird. Kritisiert wird zudem das Embargo gegen beide Staaten, unter dem vor allem die Bevölkerung leide, und schließlich wird verlangt, das »Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten« zu akzeptieren.

Die Unterschriften unter diesen Aufruf hatten schon zu Debatten in der Linkspartei selbst geführt; Fraktionschef Gregor Gysi äußerte sich diplomatisch kritisch, die Parlamentarische Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann deutlicher distanziert zu den Unterschriften. Union und FDP sowie mancher Politiker von SPD und Grünen allerdings benutzen den Aufruf nun, um nach Kommunismus- und Antisemitismus-Debatte die Empörungsmaschine wieder auf Hochtouren zu bringen. »Ihre Solidarität mit dem Mörderregime ist menschenverachtend«, rief CDU-Mann Schockenhoff und fügte ein wenig später hinzu, die LINKE habe aus der Geschichte nichts gelernt, wenn sie Assads Schießbefehl gegen die eigene Bevölkerung billige.

Um ein wenig Differenzierung bemühte sich kaum ein Redner aus Union und FDP, der von seiner Fraktionen zu diesem Thema ans Pult gelassen wurden. Birgit Homburger schlussfolgerte aus dem Umstand, dass die Unterzeichner in der Linksfraktion noch nicht aus ihren Funktionen verstoßen wurden, »dass die ganze Partei den Aufruf unterstützt«. Andere Redner verwiesen darauf, dass eine Unterzeichnerin, die LINKE-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen, erklärt hatte, der Text des Aufrufs spiegele »zu 100 Prozent unser Parteiprogramm wider, das jede Kriegsvorbereitung ablehnt«.

So weit, so gut. Eine nicht unwichtige Differenzierung nahm dann allerdings Ulrich Maurer vor, Vizevorsitzender der Linksfraktion. Es sei nicht gut, dass in dem Aufruf »die Brutalität des Regimes« in Syrien nicht benannt wird. Daraus allerdings Solidarität mit Assad zu konstruieren, das sei »ein Abgrund an Verleumdung und Heuchelei«. Die LINKE, so Maurer, stehe seit Jahren an der Seite des syrischen Widerstands; der Linksabgeordnete Wolfgang Gehrcke habe »maßgeblich an der Erklärung des syrischen Widerstands mitgearbeitet«. Dagegen habe die Bundesregierung »eine lange Tradition der Kollaboration mit dem Regime«. Maurer erinnerte daran, dass Schwarz-Gelb im Sommer 2011 einen LINKE-Antrag ablehnte, in dem das Ende der Rüstungsexporte nach Syrien verlangt wurde. SPD und Grüne hatten sich enthalten. Außerdem sollen syrische Flüchtlinge, darunter Deserteure der syrischen Armee, über Ungarn nach Syrien abgeschoben werden.

Unangemessen nannte der Grünen-Abgeordnete Volker Beck die ganze Aufregung »angesichts der Probleme und der Situation der Menschen in Syrien«. Er warf der Bundesregierung eine Kumpanei mit dem Assad-Regime vor, sprach aber auch von einem »albernen Aufruf«, aus dem Antiamerikanismus und Antiisraelismus sprächen und der die politischen Probleme »reichlich unterkomplex« beschreibe. Das trifft freilich auch auf etliche Empörungsredner zu, die sich vor fast leerem Saal produzierten - zu ansehnlicher Anwesenheit reichte die Empörung eben doch nicht.

Diether Dehm, einer der Unterzeichner des Aufrufs, versicherte, die Unterzeichner hätten »keinen Hauch von Sympathie mit den Staatsterroristen Assad und Ahmadinedschad«, weil in Syrien und Iran Linke verfolgt und hingerichtet werden. Er, so Dehm, würde aber lieber eine unvollkommene Warnung vor der Kriegsgefahr unterscheiben als zu schweigen, »denn die Warnung vor Krieg ist für Linke oberstes Gebot«.

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