An der »Grenze der Hysterie«

Syrien-Veto Russlands und Chinas in der Kritik

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach dem Veto Russlands und Chinas gegen die Syrien-Resolution des Sicherheitsrates ergehen sich westliche Regierungen in demonstrativem Verbalaktionismus.

Deutschland und Frankreich zeigten sich »entsetzt«. Diesmal nicht über die Untaten des Assad-Regimes, sondern über die Unbotmäßigkeit Russlands und Chinas, die ein weiteres Mal einer UN-Resolution zur Verurteilung von Damaskus ihr Veto entgegengesetzt hatten. In dem Papier wurde der Assad-Regierung die Alleinschuld für die Gewaltexzesse zugewiesen.

Als demonstrative Geste kündigten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Montag in Paris an, zur Unterstützung der syrischen Bevölkerung eine sogenannte internationale Kontaktgruppe ins Leben zu rufen. Eine derartige Einrichtung war auch zu Zeiten der NATO-Invasion in Libyen installiert worden, um jene Staaten einzubeziehen, die sich nicht direkt am Waffengang gegen Muammar al-Gaddafi beteiligen wollten.

Merkel hatte zuvor Staatschef Baschar al-Assad zur Demission aufgefordert. »Präsident Assad hat an der Spitze seines Landes nichts mehr verloren«, ließ sie einen Sprecher verkünden. Rückendeckung erhielt sie von der Deutschen Bischofskonferenz. Deren Vorsitzender, Erzbischof Robert Zollitsch, erklärte: »Wir dürfen nicht tatenlos zuschauen, wie Hunderte von Menschen unter brutaler Gewalt sterben. Was in Syrien passiert, ist eine abgrundtiefe Verachtung fundamentaler Menschenrechte.«

Martialische Töne als Reaktion auf das Moskau-Peking-Veto kamen auch aus der Downing Street. Dies sei »nicht zu entschuldigen«, erklärte ein Sprecher des britischen Premierministers David Cameron. Susan Rice, US-Botschafterin bei der UNO, sprach von einem »Pfahl im Herzen der Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Konflikts« in Syrien.

Russland zeigte sich unbeeindruckt von den internationalen Anfeindungen ob seines Abstimmungsverhaltens (Lediglich Iran unterstützte offiziell die Blockadehaltung der beiden Vetomächte). Moskaus Außenminister Sergej Lawrow verwies auf die »Grenze der Hysterie«, die einige Reaktionen erreicht hätten. Er bezeichnete es als »traurig, dass die Resolution so ein Schicksal hatte«. Immerhin seien viele für Russland und China heikle Punkte während der Verhandlungen aus dem Papier gestrichen worden. Dennoch sei der Entwurf übereilt zur Abstimmung gegeben worden. Lawrow erhob den Vorwurf, mit dem Votum nicht gewartet zu haben, bis er sich selbst ein Bild von der Lage in Syrien gemacht habe. Der Minister reist heute nach Damaskus.

Unterdessen konzentrierten sich die Kämpfe in Syrien am Montag offenbar vor allem auf die Stadt Homs, aus der zahlreiche Tote gemeldet wurden.

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