Schmerz der Trennung
Michelle Yeoh über Aung San Suu Kyi und »The Lady - Ein geteiltes Herz«
nd: Was bedeutete Aung San Suu Kyi für Sie?
Michelle Yeoh: Ihre Bewegung kämpft für Demokratie, für die Menschenrechte. Ich komme aus einem Land, in dem ich dafür nie zu kämpfen brauchte. Auch Malaysia hatte seine politischen Krisen, aber es ist doch eine multi-kulturelle Gesellschaft. Ich bin Buddhist, aber ich ging auf eine Klosterschule, und dort gab es auch muslimische Schüler. Auf Aung San Suu Kyi wurde ich aufmerksam, als ihr 1991 der Friedensnobelpreis verliehen wurde. Weil sie eine Frau war und auch noch Asiatin - da wollte ich wissen, wofür sie diesen Preis bekam. Die schönste Reaktion auf den Film ist für mich deshalb die, wenn Jugendliche sich plötzlich glücklich schätzen, dass sie nie für ihre Rechte zu kämpfen brauchten, sondern immer schon die Freiheit hatten, ihre Meinung auszusprechen. Das ist es, was Daw Suu für uns bedeutet - dass sie uns durch das, was sie für ihr Land tut, ins Bewusstsein ruft, dass nicht selbstverständlich ist, was wir haben.
Kannten Sie die Verhältnisse in Birma aus eigener Anschauung?
Vor Drehbeginn waren wir in Burma, weil man keinen Film über einen Ort drehen kann, den man nie besucht hat. Die Regierung war an der Belebung des Tourismus interessiert, ein Visum war also zu bekommen. Aber natürlich waren wir als Touristen da - Luc Besson hat den Touristen geradezu gespielt, denn er wollte Aufnahmen machen. Zu der Zeit war Daw Suu noch schwer bewacht unter Hausarrest. Unseren offiziellen Fremdenführer habe ich mit gespielter Naivität gefragt, warum wir nicht mal die Straße runterliefen, wo ihr Haus liegt. Nein, das ging nicht, denn da lebte »The Lady« - in Birma sprach tatsächlich niemand ihren Namen aus. Aber den Ort, wo der Amerikaner über den See schwamm, der sie in ihrem Haus besuchte, den wollte er uns gerne zeigen ...
Dass Aung San Suu Kiy von Anfang an Menschenmengen hinter sich versammelte, hatte viel mit ihrem Vater Aung San zu tun, dem Helden des Unabhängigkeitskampfes und Gründer der kommunistischen Partei Myanmars, der 1947 ermordet wurde.
Sein politisches Erbe war wesentlich, ohne ihren Vater wäre sie heute nicht da, wo sie jetzt ist. Wir haben versucht, das Geburtshaus ihres Vaters zu besuchen, wo seine Statue noch steht - aber nicht mehr beleuchtet wird. Eine Zeit lang war er auch noch auf den Geldscheinen, aber irgendwann hat man ihn dann entfernt. Ganz allmählich, sonst wäre es ja aufgefallen. Aber die Disziplin hat sie wohl von ihrer Mutter. Und sie soll schon mit dreizehn Biografien politischer Gefangener gelesen haben. Sie war sich ihres künftigen Weges offenbar bewusst. Aber es war ganz und gar nicht so, dass sie sich ihrem Land als Führerfigur aufgedrängt hätte. Sie war eher skeptisch, als ihr die Rolle angetragen wurde, weil sie die Tochter ihres Vaters war.
Wie hat sie sich dann doch entschlossen?
Der Wendepunkt kam 1988, als sie nach Birma zurück ging, weil ihre Mutter krank war. Nicht aus politischen Gründen, sondern aus privaten. Aber schließlich überwog der Gedanke, dass man tun muss, was man tun kann, um die Verhältnisse zu verändern. Trotzdem habe ich mich immer wieder mit der Frage konfrontiert gesehen, wie eine Frau ihren Mann und ihre Kinder einfach zurücklassen kann. Ihr Mann Michael Aris ist der nie besungene Held der Geschichte. Er hat sie immer unterstützt - und unermüdlich daran gearbeitet, ihren Namen im Gespräch zu halten, um sie vor dem Regime zu schützen. Sie selbst hat immer gesagt, dass die Trennung von ihrer Familie schmerzte, aber dass es anderen noch schlechter ging. Andere saßen im Gefängnis.
Interview: Caroline M. Buck
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