Ende einer Freundschaft
Kubanische Oppositionelle fühlen sich von ihrem Exilland Spanien »verraten«
Die Empörung ist groß: Kubanische Oppositionelle machen keinen Hehl aus ihrem Verdruss über die seit Ende 2011 regierende konservative Regierung Spaniens. Der Vorwurf: mangelnde Unterstützung für ein Leben im Exil. Die Betroffenen: etwa 80 der 115 ehemaligen Gefangenen und etwa 500 Angehörige, die 2010 und 2011 von Spaniens sozialistischer Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero aufgenommen worden waren.
Auf dem zentralen Platz in Madrid, dem Puerta del Sol, protestierten am Dienstag Dutzende ehemalige kubanische Gefangene mit Angehörigen, weil ihnen die Regierung keine Beihilfen mehr zahlt. Juan Antonio Bermúdez erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Efe, ihre Lage sei »völlig chaotisch«. Da einige der Betroffenen schon die Miete für April nicht mehr bezahlen konnten, fürchten sie nun, demnächst auf die Straße gesetzt zu werden. Das ist schon Zehntausenden spanischen Familien in der Krise passiert, weil sie die Hypotheken nicht mehr bedienen oder die Miete nicht mehr zahlen konnten. »Wenn die Vermieter uns jetzt auf die Straße setzen wollen, sind wir völlig schutzlos«, sagte Bermúdez. Die Kubaner beklagen, dass ihre Kinder nichts mehr zu essen hätten und nicht mehr in die Schule gehen könnten, weil sogar der Bus oder die Metro unerschwinglich seien. Die konservative Regierung unter Mariano Rajoy verweist dagegen darauf, dass die Exilanten bei der Einreise ein Dokument unterzeichnet hätten, wonach sie lediglich »zeitweilig« mit Beihilfen rechnen könnten. Vereinbart worden sei, Eingliederungsbeihilfe für zwölf Monate zu zahlen, die um sechs Monate verlängert werden könne.
Für Staatssekretär Jesús Gracia befinden sich die Betroffenen in der gleichen Lage wie jede andere Person mit legalem Aufenthaltsstatus in Spanien. Denn in den meisten spanischen Regionen gibt es keinerlei Sozialhilfe. Nach dem Bezug des Arbeitslosengeldes für höchstens zwei Jahre und eines Sozialgeldes für höchstens sechs Monaten fällt meist jede Hilfe weg. Wegen der anhaltenden Krise erhalten längst mehr als eine Million Spanier keinerlei Unterstützung mehr.
Jesús Gracia kündigte nun an, man werde »jeden Einzelfall prüfen«. Schon vor den Protesten hatte Orlando Fundora Álvarez angeprangert, die Regierung habe sich in vielen Fällen nicht an die einst mit der sozialistischen Vorgängerregierung geschlossenen Vereinbarungen gehalten. Der Präsident der »Vereinigung der politischen Gefangenen« kritisierte, Spanien habe noch immer nicht Berufsausbildung oder akademische Abschlüsse der Kubaner anerkannt, wie es ihnen bei der Einreise versprochen worden sei. »Wir fühlen uns betrogen und verraten«, sagte Álvarez. Er kündigte an, dass man in Madrid das »Protestlager Hoffnung« errichten werde, um dauerhaft zu protestieren. Es sei sehr hart, aus dem Gefängnis nach Spanien zu kommen, um dort auf der Straße betteln zu müssen, fügte er an. »Wir werden hier bleiben, bis die spanischen Behörden eine Lösung finden oder uns in andere Länder schicken«, sagte Bermúdez. Die Europäische Union solle die Verantwortung übernehmen und die Familien in die verschiedenen EU-Länder einreisen lassen. In Spanien sei es angesichts einer Arbeitslosenquote von fast 24 Prozent unmöglich, einen Job zu finden. Auf der Tasche liegen wolle man niemandem, unterstrich er den Arbeitswillen seiner Landsleute.
Zwar sprechen es die Kubaner nicht vor offenen Mikrofonen aus, doch sie sind besonders von den Konservativen enttäuscht, die sich stets besonders gegen das kommunistische Kuba wenden, nun aber dessen Kritiker im Stich lasse. Sie beklagen, dass Albert Santiago du Bouchet Hernández in den Suizid getrieben worden sei. Hernández war mit einer Gruppe von 36 Gefangenen im April 2011 mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Spanien gekommen. Er beging in der vergangenen Woche in Palma de Gran Canaria Selbstmord. Auch seine Familie macht den Geldmangel des 52-jährigen Journalisten für seinen Freitod verantwortlich. Seine Frau Ana Iris Medina Pérez geht davon aus, dass ihn Zukunftsangst und Geldnot in den Freitod trieben. Im letzten Telefonat habe er gesagt, so zu leben habe keinen Sinn. Danach habe er die Heimreise zur Familie nach Móstoles bei Madrid storniert und sich das Leben genommen.
Staatssekretär Gracia wies jedoch jeden »direkten Zusammenhang« zwischen dem Suizid des ehemaligen Direktors der unabhängigen kubanischen Nachrichtenagentur »Habana Press« und der Tatsache zurück, dass ihm die Unterstützung gestrichen wurde.
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