Jeder ist hochbegabt - jedenfalls im Prinzip

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Laut dem Neurobiologen Gerald Hüther entscheiden nicht Gene über Intelligenz, sondern wie der »riesige Überschuss an Vernetzungsoptionen im Gehirn« von Erwachsenen optimiert werde. Für ihn ist ein Kind an sich »hochbegabt, jedes auf seine Weise talentiert«. Entsprechend fordert er ein Umdenken der Lehrerausbildung und initiiert in Deutschland und Österreich den Masterstudiengang »Potenzialentfaltungscoach«, wie diepresse.com berichtet (bit.ly/J8gz4R). Nicht jeder findet die Idee gut.

heidi43 fragt: »Potenzialentfaltungscoach - eine Satire?« Ähnlich yxyx: »Na klar! Jetzt kommt ein Hirnforscher daher, der genau weiß, was viele Eltern hören wollen - alle Kinder sind begabt! Und wenn aus dem kleinen Genie dann doch nichts wird, wer ist schuld - selbstverständlich die Lehrer! Gemeinsam ist allen nur, dass sie niemals auch nur eine Minute selbst unterrichtet haben. Einen solchen Schmarrn habe ich schon lange nicht gelesen.«

Nicht du widerspricht: »Nein, es geht um das System, nicht um die Lehrer. (…) Es wird ja noch sein dürfen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse eingebracht werden. Und je nachdem, welcher Philosophie man folgt, wird das zuständige Ministerium Bedingungen schaffen, dass dieser ausgewählten Philosophie folgend Impulse gesetzt werden können.« insigma meint: »die aktuellen lehrer sind selbst produkte ihres systems und haben somit ihr eigenes potenzial auch nicht ausgeschöpft. man wendet sich also an potenziell ungeeignete erwachsene, aus den jetzigen kindern das beste zu machen. das kann nicht funktionieren, denn sie wurden darauf trainiert, quergedachtes als mumpitz abzukanzeln.«

lüttedeern ist empört: »Wovon reden wir? Das Lehrerbild ist katastrophal. Jeder, den es betrifft, ist es müde für seinen ›Halbtagsjob‹ belächelt zu werden. Jeder, der Lehrer kennt, weiß wie viel die allermeisten arbeiten, mit welchen Belastungen der Beruf verbunden ist. Die meisten haben nichts gegen Hüther, den übrigens alle Referendare lesen und mit dessen Thesen intensiv gearbeitet wird. Es sind die ehrgeizigen Eltern potenzieller Gymnasiasten, die nicht wollen, dass ihre Kinder länger als vier Jahre mit dem gemeinen Pöbel in die Schule gehen. Jeder bisherige Versuch, längeres gemeinsames Lernen in heterogenen Lerngruppen durchzusetzen, scheiterte an diesen Eltern. Sie wollen den Vergleich, so lange ihr Kind an der Spitze steht. Wenn nicht, ist die Schule schuld und der Lehrer schlecht. Die Mehrheit der Lehrer wünscht sich andere Bedingungen und ist das durch das ewige Selektieren, das von Staatswegen verordnete Beschämen von Kindern leid!« rotrot11 ergänzt: »Das mit dem Umdenken stimmt wirklich! Aber gleichermaßen bei Eltern, Managern, Berufszufriedenen, Berufsunzufriedenen, Postern etc.«

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