Angst vor klagenden Eltern
Ministerin Schröder: Kitaplatzausbau ist zu schaffen / EU kritisiert Regierung
Bundesfamilienministerin Kris-tina Schröder (CDU) will endlich ihre zwei größten Projekte erledigt sehen: Nachdem sie am Dienstag das Betreuungsgeld ins Kabinett eingebracht hatte, veröffentlichte sie am Mittwoch einen Zehn-Punkte-Plan zum Ausbau der Kinderbetreuung.
Schröder sagte, der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren werde wie geplant im August 2013 kommen. Dafür seien zusätzliche Mittel nötig. Noch fehlten 160 000 Betreuungsplätze - 30 000 mehr als bisher bekannt, so Schröder.
Der Deutsche Städtetag geht davon aus, dass für mindestens 200 000 Kinder kein Platz vorhanden ist. Der Rechtsanspruch sei »nicht in jeder Stadt und für jedes Kind zu verwirklichen«, sagte der Geschäftsführende Direktor Jürgen Dieter. Den Kommunen fehlten Geld, Erzieher und Bauplätze für Kitas.
Laut Familienministerium wollen 39 Prozent der Eltern ihre Kinder vor dem dritten Geburtstag in einer Krippe oder von einer Tagesmutter betreuen lassen - dafür benötige man 780 000 Plätze. Schröder sagte, alle Beteiligten müssten deshalb noch »eine finanzielle Schippe drauflegen«. Um die Kommunen zu unterstützen, habe sie mit der staatlichen Förderbank KfW zinsgünstige Kredite von 350 Millionen Euro vereinbart.
Wenn die benötigten Plätze nicht geschaffen werden, befürchten die Kommunen eine Klagewelle von Eltern. Jürgen Dieter: »Dann müssen wir das Geld für Schadenersatzleistungen ausgeben und nicht für den Aufbau von Krippenplätzen.«
Noch fehlen auch tausende Erzieherinnen und Tagesmütter, insbesondere in westdeutschen Großstädten. Schröder schlägt vor, Teilzeitkräften eine volle Stelle anzubieten. Zudem müssten der Quereinstieg erleichtert und der Beruf attraktiver gemacht werden. Opposition und Gewerkschaften kritisieren seit Langem, dass Erzieher schlecht bezahlt und gesellschaftlich wenig geachtet seien.
Schröder kündigte außerdem ein Gesetz an, das Mindeststandards bei der Kinderbetreuung festlegen soll. Zudem sollen die Löhne für Tagesmütter und -väter mit zehn Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds und dem Familienministerium bezuschusst und Betriebskindergärten gefördert werden.
Die Opposition fordert unterdessen, die Mittel für das Betreuungsgeld in den Kitaausbau zu stecken. Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) warf der Regierung vor, sie wolle sich mit dem Betreuungsgeld »billig rauskaufen aus der Verantwortung, Kitaplätze zu schaffen«. Ein Platz koste wesentlich mehr als die 100 beziehungsweise 150 Euro, die jene Eltern ab 2013 bekommen sollen, die ihre Kinder zu Hause betreuen.
Auch die EU-Kommission äußerte sich am Mittwoch besorgt über den schleppenden Kitaausbau in Deutschland. Die vorhandenen Krippen und Schulen hätten zudem zu kurze Öffnungszeiten.
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