Drücke aus - bilde Sprache

M. Lentz: Textleben

  • Werner Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Nach dem 2007 erschienenen großen Roman »Pazifik« und einem letztjährigen Lyrikband legt der Fischer-Verlag einen Sammelband von Michael Lentz vor, der Umrisse seiner Poetik zeigt. Wie Herausgeber Hubert Winkels zu Recht in seinem Vorwort bemerkt, geht Michael Lentz in allen Fällen »den Weg über andere Texte, über Texte anderer«. So versammelt der Band Rezensionen und Laudationes, Essays und Aufsätze, Vor- und Nachworte, schließlich Poetik-Vorlesungen, die Lentz in Wiesbaden und Kiel gehalten hat. Immer redet hier ein, wie heißt es so schön: poeta doctus, der als promovierter Germanist und Literaturwissenschaftler genau die deutsche wie europäische Tradition kennt, auch kenntnisreich darzustellen versteht und sich mit eigenen Texten, zunächst als Lyriker, dann auch als Prosaautor, in diese hineinschreibt.

Gewiss ist vieles von dem, was Lentz zum Ausdruck bringt, nicht neu im Sinne von originär und originell - aber warum auch?!? Literatur, schreibt er z. B. in der Wiesbadener Poetik-Vorlesung unter dem Titel »Ich, anders. Eine Poetik der Schwelle«, sei ein »Luxusproblem«, während das Leben ihr überlegen sei. »Zu leben heißt, Zeit zu verlieren. Literatur sucht dann Entschuldigungen für die Umstände des Zeitverlustes.« Und weiter dann, an anderer Stelle: Literatur sei »Symptom einer Krise«; schließlich noch: »Schreiben ist ausgefülltes Warten auf den Tod ...«

Wem fielen da nicht ästhetische und poetologische Reflexionen aus dem Umfeld des Existenzialismus ein oder auch insgesamt Überlegungen von Autoren der (frühen) Moderne. Worauf Lentz dann selbst auch wiederholt zu sprechen kommt.

Geradezu apodiktisch heißt es, dass in Barock, Romantik und Expressionismus »alles schon angelegt« sei. »Nehmen wir hinzu noch die Konkrete Poesie und also Dichter wie Eugen Gomringer, Franz Mon, Gerhard Rühm. Nennen wir noch, jenseits der Ismen, Rolf Dieter Brinkmann. Mehr ist dann nicht. Das war's eigentlich schon. Der Rest ist Verwaltung.«

Beeindruckend die (Selbst-) Sicherheit, mit der Lentz seine literarischen Urteile fällt, sich über Zeitgenossen äußert und - zur Anstachelung seiner Leserschaft, sich mit den diskutierten Autoren und Texten selbst intensiver zu beschäftigen - die jeweilige literarische Machart herauspräpariert: indem er z. B. Metaphernforschung betreibt, um in den Gesteinsbezirk der Sprache einzudringen.

Literatur, die etwas im Sinne von Michael Lentz zu sagen hat, ist kein Konfekt, sondern eine durchaus (lebens-)notwendige Angelegenheit, die dann dazu führen kann, wie er an Rilke, Benn oder Thomas Mann, an Robert Walser oder Helga M. Novak demonstriert, das Leben zu verändern. Michael Lentz: Textleben. Über Literatur, woraus sie gemacht ist, was ihr vorausgeht und was aus ihr folgt. (Hg.) Hubert Winkels. S. Fischer, 576 S., geb., 24,95 €.

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