Hammelsprung stoppt Herdprämie

Bundestagsopposition torpedierte Beratungen zu Betreuungsgeld

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Peinliche Panne für Schwarz-Gelb: Eigentlich sollte sich der Bundestag gestern in erster Lesung mit dem Betreuungsgeld befassen. Doch dazu kam es nicht, da es der Opposition mit einem Trick gelang, einen Abbruch der Sitzung zu provozieren. Somit ist der Zeitplan für das umstrittene Vorhaben völlig durcheinander geraten.
Im Bundestag hat alles seine Ordnung: Es gibt eine Geschäftsordnung, nach der sich alle richten müssen, und es gibt durchnummerierte Tagesordnungspunkte (TOP), die nacheinander abgearbeitet werden. Dazu zählte gestern auch TOP 46d, der einen Antrag von SPD und Grünen zur gesetzlichen Verankerung des Pressegrossos beinhaltete. Bei der Abstimmung stellte sich heraus, dass die Mehrheitsverhältnisse unklar waren.

In solchen Fällen müssen sich die Abgeordneten zum sogenannten Hammelsprung bequemen. Dazu verlassen sie den Plenarsaal und betreten ihn dann durch Türen, die jeweils mit Ja, Nein und Enthaltung gekennzeichnet sind. Je nach Abstimmungsverhalten müssen die Parlamentarier durch eine der Türen »springen«. Kleiner Nebeneffekt: Mit dem Verfahren kann die genaue Anzahl der anwesenden Parlamentarier festgestellt werden. Die Auszählung ergab 204 Ja- und sieben Neinstimmen - insgesamt 211.

Daraufhin musste Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (LINKE) kurz vor 12 Uhr die Sitzung abbrechen. Denn laut Geschäftsordnung ist das Parlament nur beschlussfähig, wenn »mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist«. Da im Bundestag aber 620 Abgeordnete sitzen, hätten mindestens 311 von ihnen im Saal sein müssen. Viele Vertreter der Opposition hatten die Sitzung absichtlich boykottiert.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt schäumte und sprach von einem »kleinen dreckigen Foulspiel« der Opposition. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe nannte den provozierten Abbruch einen »beispiellosen ungeheuerlichen Vorgang«. Die SPD wiederum verwies darauf, dass auch 126 Abgeordnete von Union und FDP bei der Abstimmung fehlten.

Der Grund für das bewusste Fernbleiben der Opposition war das umstrittene Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kleinkinder zu Hause erziehen wollen. Ab 2013 sollen sie 100 Euro für einjährige Kinder und ab 2014 monatlich 150 Euro für ein- und zweijährige Kinder erhalten. Der entsprechende Gesetzentwurf sollte am Freitag in erster Lesung behandelt werden - kurz nach dem TOP 46d mit seinem Hammelsprung, der zum Sitzungsabbruch führte.

Das unerwartete Ende bringt die gesamte Planung der Regierung durcheinander. Ursprünglich hatte Schwarz-Gelb das Gesetz noch vor der Sommerpause am 29. Juni durchs Parlament peitschen wollen. Aber nun wird man die »Herdprämie« erst im Herbst verabschieden können. Wenn überhaupt. Denn auch bei CDU und FDP ist das von der CSU forcierte Betreuungsgeld äußerst umstritten. Zwar hatten beide Parteien ihre parlamentarische Zustimmung signalisiert, allerdings nur unter Verweis auf den Koalitionsvertrag, in dem das Betreuungsgeld festgeschrieben wurde.

Teile von CDU und FDP plädieren nun für einen Kompromiss in Form von Bildungsgutscheinen, die es als Alternative zum Geld geben soll. Selbst Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach sich am Freitag dafür aus, neben Geldleistungen auch Gutscheine anzubieten, weil so der Ansatz von Wahlfreiheit gewahrt bleibe. Die CSU lehnt diesen Kompromiss kategorisch ab.

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