Alles auf Sieg

Sport als Triebkraft der Humanevolution

  • Martin Koch
  • Lesedauer: 2 Min.

Bekanntlich würde kein Tier seine Kraft darauf verschwenden, mit einem Artgenossen nur um des Sieges willen um die Wette zu rennen. Die Vermutung liegt daher nahe, dass das, was man heute Sport nennt, eine Erfindung des Menschen ist. Zumal es Sportwettkämpfe nicht erst im alten Griechenland gab. Schon vor 5000 Jahren musste ein ägyptischer Pharao nach 30-jähriger Regierungszeit einen Lauf absolvieren, um zu zeigen, ob er für sein Amt noch fit genug war. Sogar auf steinzeitlichen Höhlenzeichnungen wollen Historiker Hinweise gefunden haben, dass die Jagd nicht immer nur der Beute galt.

»Der Wettkampf scheint eine anthropologische Konstante aller Kulturen zu sein«, sagt der Kölner Sportwissenschaftler Wolfgang Decker. Wenn das zutrifft, und vieles spricht dafür, stellt sich die Frage: Welchen Vorteil brachte es unseren frühen Vorfahren, sich im körperlichen Wettstreit zu messen? Der Münchner Evolutionsforscher Josef Reichholf, der für seine originellen und unorthodoxen Antworten auf Fragen der Biologie bekannt ist, hat hierzu ein Modell entwickelt. Danach gehörten zur Nahrung des Homo sapiens vor Jahrmillionen in der afrikanischen Savanne auch frische Kadaver. Wer nun so schnell (und ausdauernd) rannte, dass er zuerst an das begehrte Fleisch kam, konnte mit der erworbenen Beute die Frauen der Horde versorgen und damit zugleich seine Fortpflanzungschancen erhöhen. Außerdem empfahl sich ein guter Läufer dank seiner Kraft und Energie für »höhere« Aufgaben in der Gruppe. Es verwundert daher nicht, dass die Evolution den Laufdrang des Homo sapiens irgendwann durch einen Endorphinschub im Gehirn zusätzlich belohnte. Das Laufen um des Laufens willen wurde so zu einer lustvollen Betätigung, die längst den Charakter einer Massenbewegung angenommen hat.

Zwar stand der Marathon nicht am Anfang der Olympischen Spiele, aber er stand am Anfang der Menschwerdung, meint Reichholf. Da jedoch bei einem solchen Wettlauf nur einer gewinnen kann, hat der Mensch im Laufe der Geschichte nicht nur zahlreiche weitere Sportarten erfunden, sondern das Prinzip des Siegenwollens auch auf andere Lebensbereiche übertragen. Bis heute ist der Ehrgeiz vieler Menschen groß, bei irgendeinem Wettbewerb »Erster« zu werden, selbst wenn man sich dabei lächerlich macht. Zum Beweis genügt ein Blick ins Guinness-Buch der Rekorde.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.