Zwei Klassen beim Stromverbrauch
Versorger kassieren bei Privathaushalten ab
Viele Energieversorger haben 2012 die Strompreise spürbar erhöht. Auch für kommendes Jahr gibt es solche Ankündigungen. Die Unternehmen begründen dies meist mit der höheren EEG-Umlage. Der spürbare Ausbau der erneuerbaren Energien hat allerdings auch zu sinkenden Börsenpreisen geführt. Doch die deutlich niedrigeren Beschaffungskosten werden von den Versorgern nicht an die Privatkunden weitergegeben, sondern zur Erhöhung der Gewinne genutzt, wie aus einer neuen Studie im Auftrag der Grünen hervorgeht. »Die Stromrechnung der privaten Haushalte ist in diesem Jahr um ca. drei Milliarden Euro zu hoch«, schreibt Autor Gunnar Harms, Diplom-Ingenieur und Vorstandsmitglied des Bundes der Energieverbraucher. Nach seinen Berechnungen müsste der Strompreis zwei Cent je Kilowattstunde niedriger liegen, wenn »die Versorger die gesunkenen Einkaufsniveaus der Vergangenheit an die Verbraucher entsprechend weitergereicht hätten«. In diesem Jahr zahlt der Stromkunde im Schnitt 26,40 Cent je Kilowattstunde, vor fünf Jahren waren es noch 20,08 Cent.
Allein im vergangenen Jahr ist der Börsenpreis je nach Marktsegment um 10 bis 20 Prozent gesunken. Daraus ergibt sich laut Harms, der für einen großen Industriepark im Rheinland Strom und Gas einkauft, ein Entlastungspotenzial für die privaten Haushalte von 500 Millionen Euro im kommenden Jahr. Die Versorger kaufen üblicherweise am Terminmarkt Strom ein und haben deshalb einen Vorlauf von rund zwölf Monaten. Sprich: Sinkt heute der Preis an der Börse, müsste sich dies nach einem Jahr in der Stromrechnung bemerkbar machen. Allerdings, so Harms, werden nur Anstiege weitergegeben.
Aus der Studie geht ferner hervor, dass es bei Strom längst eine Art Zweiklassengesellschaft gibt. Während die Preise für Haushaltskunden seit September 2008 um rund 20 Prozent gestiegen sind, mussten sogenannte Sondervertragskunden, also Großverbraucher aus verarbeitendem Gewerbe und Handel, drei Prozent weniger bezahlen. Industriebetriebe werden zusätzlich vom Gesetzgeber bevorzugt, der sie zum Teil von der EEG-Umlage und seit Neuestem auch von den Netzentgelten befreit hat. Normalbürger tragen diese Entlastungen mit.
Die privaten Haushaltskunden werden von den Stromanbietern und der Politik »gleichzeitig in die Zange genommen«, kritisiert die Vizevorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn. Sie rät Verbrauchern, den Stromanbieter zu wechseln. »Wenn die Wechselquote steigt, werden die angestammten Versorger merken, dass man dieses Kundensegment bei Preissenkungen nicht vergessen darf.« Zudem müssten »die Lasten der Energiewende dringend gerechter verteilt werden«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.