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Multimedial mit dem Fernseher

Auf der IFA soll vor allem der Verkauf internetfähiger TV-Geräte ins Rollen kommen

Am Freitag startet unter dem Berliner Funkturm die IFA 2012. Nach dem Willen der Aussteller soll der Fernseher Ausgangspunkt für Ausflüge ins weltweite Web werden.

Die Unterhaltungselektronikbranche setzt auf smarte Produkte. Vom Boom der Smartphones, Handys mit mobilem Internetzugang und unzähligen Anwendungen, wollen auch die Fernsehgerätehersteller profitieren. Bislang bot man internetfähige Produkte mit kryptischen Bezeichnungen wie »Hybridfernsehen« oder »HbbTV« an - jetzt soll es unter dem modischen Rubrum »Smart TV« richtig rund gehen. Auf der IFA in Berlin werden sie, so will es die Branche, im Mittelpunkt des Interesses stehen.

Dies ist nachvollziehbar: Die TV-Geräte-Hersteller surften mit ihren Flachbildfernsehern jahrelang auf einer Erfolgswelle. Die alten Röhrenbildschirme in deutschen Wohnzimmern wurden ersetzt, was der Industrie kräftige Umsatzsteigerungen bescherte. Nach und nach wurden die Geburtsfehler bei der LCD- und Plasmatechnik behoben, noch größere Bildschirme und HiFi-Audiosysteme sollen Kinoatmosphäre verbreiten. Allein im ersten Halbjahr 2012 stieg der Umsatz in Deutschland, wie der Branchenverband BITKOM am Mittwoch mitteilte, um 13,8 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro; fünf Millionen Geräte gingen über den Ladentisch. Die BITKOM erwartet aber schon bald die Sättigung des Marktes: Bis 2016 dürften 98 Prozent der Haushalte mit modernen Fernsehern ausgestattet sein. Daher braucht es einen Kundenköder. Einige Hersteller wie Samsung und LG warten mit einer neuen Bildschirmtechnik auf. OLEDs - engl. für »Organische Leuchtdioden« -, die bisher vor allem in Leuchtmitteln und in Displays von Kleingeräten wie Smartphones zum Einsatz kommen, sollen das Fernsehbild schärfer und kontrastreicher machen. Die Geräte kosten aber rund 10 000 Euro, sind daher als Massenprodukt vorerst untauglich. Laut der Fachzeitschrift »c't« sind große OLED-Displays noch weit von der Serienreife entfernt.

Die meisten Hersteller wollen sich daher lieber am Siegeszug der Smartphones orientieren, die beim Umsatz schon fast mit TV-Geräten gleichgezogen haben. Auch beim Fernseher könnte die ursprüngliche Funktion allmählich zur Nebensache werden. Wer durch die Kanäle zappt, ist vom laufenden Angebot der Sender abhängig. Das Internet dagegen bietet die Möglichkeit zu konsumieren, wonach einem gerade der Sinn steht. Smart-TV-Besitzer gucken sich laut einer, nicht repräsentativen, Umfrage gerne YouTube-Clips an oder greifen auf Online-Videotheken von ARD, RTL & Co. zu. Sie können aber auch spielen, surfen, eigene Fotos angucken, ihre Facebook-Freunde zählen etc. Aktuell ist schon fast jeder zweite verkaufte Flachbildschirm internetfähig. Bis Ende 2012 sollen 30 Prozent der Haushalte einen solchen Fernseher haben - die Branche wittert aber Ausbaupotenzial.

Die Entwicklung birgt Gefahren. Laut der aktuellen »ARD-ZDF-Onlinestudie« führt die Entwicklung zu einem weiter steigenden Medienkonsum. Die User, die früher Zuschauer hießen, sitzen noch länger vor ihren zahlreichen Geräten und verzichten dafür auf »medienferne Freizeitaktivitäten«.

Auch die Stromrechnung wird dadurch weiter steigen. Über Jahre hinweg weigerten sich die Hersteller, für den Konsumenten sichtbar über den Verbrauch der TV-Geräte zu informieren. Erst auf massiven Druck von Umweltverbänden hin änderte sich dies. Es ist aber ähnlich wie beim Auto: Die höhere Energieeffizienz der neuen Fernseher wird dadurch aufgezehrt, dass sie immer größer und leistungsstärker werden.

Beim großen, kleinen Vorbild, dem Smartphone, ist hingegen der Stromverbrauch »selbst bei intensiver Nutzung« äußerst niedrig, wie eine anlässlich der IFA vorgelegte Studie des Öko-Instituts Freiburg ergeben hat. Die größten Umweltauswirkungen gibt es aber schon bei der Produktion. So ist eine ganze Reihe seltener Rohstoffe enthalten - zum Beispiel Kobalt, das unter katastrophalen Bedingungen in der DR Kongo gewonnen wird. Das Öko-Institut mahnt deshalb eine deutlich höhere Recyclingquote und eine längere Nutzung der Geräte an.

Besonders an Letzterem haben die Hersteller kein Interesse. Sie setzen darauf, dass die Kunden, die bisher im Schnitt alle 7,5 Jahre ihre TV-Geräte ersetzten, dies deutlich schneller tun. Warum nicht dank der IFA schon zu Weihnachten 2012?


Zahlen und Fakten

Die erste Internationale Funkausstellung fand in Berlin bereits im Jahr 1924 statt. Vom 31. August bis zum 5. September 2012 steht nun die 52. Auflage der Messe an, die mittlerweile nur noch IFA heißt. Die Presse und Fachbesucher werden in den Hallen unterm Funkturm bereits seit Mittwoch auf Neuheiten bei Fernsehern, Stereoanlagen, Smartphones und Waschmaschinen eingestimmt.

Eigentlicher Zweck der IFA ist, dass Händler die Neuheiten der Hersteller sichten und sich bei ihnen mit Ware fürs Weihnachtsgeschäft eindecken. 2011 belief sich die geschätzte Auftragssumme auf insgesamt 3,7 Milliarden Euro. Rund 238 000 Menschen strömten durch die Hallen, darunter knapp 133 000 Fachbesucher. In diesem Jahr haben sich laut Messe Berlin 1439 Aussteller angemeldet, etwas mehr als im Vorjahr. Die IFA ist seit April ausgebucht und legt bei der Fläche um vier Prozent auf rund 143 200 Quadratmeter zu. Das liege auch daran, dass Anzahl und Vielfalt der Unterhaltungsgeräte in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen sei, so Messe-Berlin-Geschäftsführer Christian Göke.

Die IFA findet auf dem Messegelände, Messedamm 22, 14055 Berlin, statt und ist täglich von 10-18 Uhr geöffnet. Die Tageskarte kostet 15 Euro, das Familienticket 31 Euro. Ab 14 Uhr kann verbilligt umherschweifen. Infos unter: www.ifa-berlin.de. nd/dpa

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