Hart an der Grenze

Neue ORB -Talkshow »Dreilinden« feiert den Trash und ganz gehörig sich selbst

  • Patrick Krienke
  • Lesedauer: 3 Min.
Mist verdammter, hab ich ein Muffensausen,« sagt Holger Klein, bevor in dem kleinen Aufgang zu dem ehemaligen Grenzturm am Teltowkanal verschwindet. In diesem, für ein Fernsehstudio sehr ungewöhnlichem Gemäuer soll der stämmige 120-Kilo-Mann, gleich zusammen mit dem Zwei-Meter-Spargel Steffen Hallaschka »Dreilinden«, die neue Show des Ostdeutschen Rundfunks Brandenburg (ORB), moderieren. Für das ungleiche Paar, dass für gewöhnlich die Morgensendung des Radiosenders Fritz moderiert, ist es der erste gemeinsame, für Klein der erste Fernsehauftritt überhaupt. Mit dem Konzept wagt sich der ORB wieder einmal auf ungewisses Terrain. »Wir spielen hier, erst einmal bis Jahresende befristet, mit einem neuen Format junger Medienmacher«, verrät Petra Schmitz, die verantwortliche Redakteurin. »Wir wollen gar nicht ernst genommen werden,« fügt sie hinzu, »wir arbeiten hier mit sehr kleinem Budget und mit viel Trash«. Trash, wörtlich Schrott, ist diese diffuse Mischung aus Witz, Klamauk, Ironie, Unsinn und Kult, die man entweder als schreiend komisch liebt oder als Unfug abtut. Es ist der schmale Grad zwischen dem bissigen Sarkasmus eines Carsten van Ryssen und der schlichten Geschmacklosigkeit eines Stefan Raab. Kein einfaches Unterfangen, das sich der ORB und die junge Produktionsfirma »Televisionaere« da gestellt haben. Mühe, das kann man ihnen aber durchaus zugestehen, haben sie sich gegeben. Allein schon das Studiokonzept hat seine Reize. Die 45-minütige Sendung wird in einem ehemaligen Kontrollturm der deutsch-deutschen Grenze in Dreilinden aufgezeichnet. Das Studio ist mit seiner Grundrissfläche von nur 30 m² zwar sehr beengt, erhält dadurch aber einen unglaublichen Charme und, was man angesichts der früheren Verwendung des Bauwerks kaum für möglich hält, eine Note von Gemütlichkeit. Der ehemalige Arbeitsraum der grenzsichernden Organe wirkt in der Ausstattung wie eine Parodie auf alle Shows des deutschen Fernsehens. Hallaschka, thront auf einem schwarzen Ledersessel mit Schreibtisch, wie ihn sonst nur Harald Schmidt für sich beansprucht. Auf die Fensterbretter und Tische haben sich so allerlei Requisiten verirrt, wie sie bunter und unlogischer gar nicht sein könnten. Ein Megafon und jede Menge Erdnüsse haben ihren Platz, dazu Zeitungsständer oder eine Dose Instantkaffee Marke »Im Nu«. »Wir spielen in dieser Show mit allem,« so Petra Schmitz, »obwohl wir in der Sendung ein bisschen Eheanbahnung zwischen Berlin und Brandenburg betreiben wollen, war der Adler bis auf weiteres verhindert.« So wird sich der gebürtige Kölner Klein in den zehn geplanten Folgen stets mit einem Berliner Bären und dem altbewährten Sandmann präsentieren. Auch dies ein Punkt, den man dem Trash zuschanzen kann. Dessen goldenes Motto ist schließlich: Wenn etwas zweitklassig ist, verkauf es nur als gewollt - die Leute werden es lieben. Unter diesen Vorzeichen kann man dann auch über die durchaus witzigen Unzulänglichkeiten der Sendung hinwegsehen. Dass es wegen der fehlenden Lichtanlage - weshalb am Tage aufgezeichnet wird - einfach um zehn Uhr abends noch die Sonne strahlt, wundert genauso wenig wie die einzige aufwärts führende Showtreppe der Welt, über welche die Gäste in das Studio in 9,60 m Höhe hinaufsteigen. Auch die Gäste versprechen ein vergnügliches Fernseherlebnis. Für die erste Folge von »Dreilinden« haben sich der Schlagersänger Achim Mentzel und die »Polylux«-Moderatorin Tita von Hardenberg angesagt. Eine ungewöhnliche, auf jeden Fall aber vielsprechende Mischung. Vielleicht schafft ja »Dreilinden« den Sprung zum Kult. Ähnlich ungewöhnliche Sendekonzepte, wie das von Götz Alsmann und später von Steffen Hallaschka moderierte »100 Grad« oder das inzwischen auch auf der ARD zu sehende »Polylux«, haben dem ORB durchaus einen Namen im Bereich der Jugend- und Szenemagazine eingebracht.
»Dreilinden« ab heute immer dienstags, 22.05 Uhr im ORB.

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