- Kultur
- Zum Tode des Schauspielers Peter Borgelt
Als Hauptmann Fuchs bleibt er in Erinnerung
Peter Borgelt und Ute Lubosch in dem Polizeiruf „Mit List und Tücke“ Foto: Archiv
Wenn ein Schauspieler über Jahre oder Jahrzehnte eine Serienrolle verkörpert, verliert er das Interesse der Kritik. So ging es auch Peter Borgelt als Hauptmann Fuchs in der Reihe „Polizeiruf 110“ des DDR-Fernsehens. War es nicht immer der gleiche Charakter, den er darstellte? Was gab es da noch zu bemerken, was kritisch anzumerken? -Wie bei einem Nachbarn, den man täglich zu sehen gewohnt ist, nimmt man Veränderungen an ihm erst dann wahr, wenn man ihm über längere Zeit nicht mehr begegnet ist. Die Wiederholung der Reihe in ORB, MDR, B 1 und 3 Sat machte endlich auch die Entwicklung anschaulich, der Peter Borgelt in mehr als 100 Fällen seine Rolle unterworfen hatte.
Im Gegensatz zu anderen Fernseh-Kriminalreihen hatte der „Polizeiruf“ von Anfang an für jede Folge einen anderen Autor. Während die Personen der einzelnen Episoden ihre jeweils individuelle Ausformung erfuhren, waren die Kriminalisten doch eher Funktionsträger als Charaktere. Auch Oberleutnant Fuchs - in zwanzig Dienstjah-
ren wurde er nur einmal befördert - war anfangs ein recht anonymer Repräsentant der sozialistischen Staatsmacht, autoritär und besserwisserisch. Doch Borgelt löste ihn mehr und mehr vom Kli-
schee, gab ihm individuelle Eigenheiten, brachte die eigene Physis und Psyche ein. Fuchs war in seiner Darstellung kein Mann der schnellen Aktion, eher der gedanklichen Kombination, der die Fälle im
Kopf und nicht im schnellen Lauf löste. Eine westdeutsche Illustrierte nannte Fuchs mal kurz nach der Wende den „ostdeutschen Maigret“ und verglich seinen Darsteller mit Jean Gabin.
Solch ein Vergleich ist immer fragwürdig, völlig aus der Luft gegriffen war er freilich nicht. Borgelt vertraute als Fuchs auf Menschenkenntnis und Lebenserfahrung; er konnte auch noch das Mitleid mit einem Straftäter spürbar machen, der unter unglücklichen Umständen aus der Bahn gekommen war. Und er brachte Humor in den stumpfen deutschen Beamtenalltag ein (z. B. in einem seiner letzten „Polizeirufe“, in „Unter Brüdern“). Hier verleugnete der Schauspieler die eigene Natur nicht.
Denn Peter Borgelt, 1927 in Rostock in einer Schauspielerfamilie zur Welt gekommen, brachte zwar norddeutsche Sprödigkeit in seinen Beruf ein, aber auch den trockenen Humor jener Region. Er war nicht auf ein „Fach“ festzulegen. Er alberte als ewig angetüdelter Seemann durch die Rostocker Hafenbar von
„Klock 8 achtern. Strom“ und stand „nebenbei“ (seit 1967) siebenundzwanzig Jahre lang als Charakterdarsteller auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin. Er spielte in Stücken von O'Neill, Barlach und Hof mannsthal. Wenn er auch durch den „Polizeiruf“ zum Star geworden war, so erschöpfte sich sein darstellerisches Wirken durchaus nicht in dieser Serie.
Der Hauptmann Fuchs forderte freilich auch seinen Preis. Darsteller und Rolle wurden miteinander identifiziert. Außer in einer Folge der „Schauspielereien“ und als Gast in einem Silvesterschwank vor mehreren Jahren bekam Borgelt keine anderen Film- und Fernsehrollen mehr angeboten. Auch sein Regietalent, das er in den späten fünfziger Jahren in Magdeburg an Gegenwartsstücken (Harald Hauser u. a.), aber auch an Gogols „Revisor“ erprobte, blieb später ungenutzt. Und so wird Peter Borgelt, der am 18. März in Berlin einem Krebsleiden erlag - wohl nur als „Hauptmann Fuchs“ in Erinnerung bleiben, wenn auch freilich in bester.
PETER HOFF
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