Sie sind bei Kindern wichtig für das entstehende Immunsystem und fangen durch den Mund eindringende Krankheitserreger ab. Sind die Gaumenmandeln oder Tonsillen jedoch ständig entzündet, verlieren sie ihre Schutzfunktion und werden selbst zu einem Infektionsherd. Dann können sie rheumatische Gelenkbeschwerden oder Entzündungen der Nieren oder des Herzmuskels hervorrufen.
Bis das Immunsystem im Alter von etwa vier Jahren ausreift, haben die Mandeln eine besonders wichtige Funktion. Durch den Mund eindringende Keime müssen das lymphatische Gewebe passieren, das im hinteren Mundraum Luft- und Speiseröhre umlagert. Die in dem Gewebe enthaltenen Lymphozyten fangen körperfremde Stoffe wie Viren oder Bakterien ab und machen sie unschädlich.
Doch nicht für alle Menschen sind die Mandeln ein Segen. Sie können viele Probleme verursachen, entweder wenn sie oft oder chronisch entzündet sind, aber auch allein durch ihre Größe. Wenn Kinder lautstark schnarchen, sind oft - neben vergrößerten Polypen - zu große Mandeln die Ursache. Dann werden diese allein schon durch ihren Umfang zu einem mechanischen Hindernis und verengen die Atemwege. Rutschen sie dann im Schlaf nach hinten, produziert die durchstreifende Atemluft die typischen Schnarchlaute. In drastischen Fällen kommt es sogar zu kurzen Atemaussetzern, der so genannten Schlaf-Apnoe.
Die Folgen des schlechten Schlafes äußern sich auch am Tag: Die Kinder sind am nächsten Morgen unausgeschlafen, tagsüber sind sie oft unkonzentriert oder überdreht. Studien belegen, dass Kinder, die schnarchen, in der Schule schlechtere Leistungen erbringen. Die vergrößerten Mandeln bereiten Kindern auch Schwierigkeiten beim Schlucken. Sie essen dann entweder ungern oder bevorzugen Lebensmittel, die sich relativ problemlos schlucken lassen wie Nudeln. Die Folge: Die Kinder leiden an Gedeihstörungen, sie nehmen nicht richtig zu. Zudem würgen Kinder mit vergrößerten Mandeln auffallend oft, etwa beim Zähneputzen. Sind die Mandeln entzündet, können ebenfalls Schluckbeschwerden auftreten, häufig verbunden mit Erkältungen und Fieber. Mitunter wird die Mandelentzündung chronisch, und die Entzündung schwelt - oft ohne größere Beschwerden und daher unbemerkt - vor sich hin. Dabei sondert das Organ Bakterien ab, die verschiedene Körperteile belasten können - es folgen Mittelohrentzündungen, rheumatische Gelenkbeschwerden bis hin zu Nieren- oder Herzerkrankungen.
Haben Eltern den Verdacht auf Mandelprobleme, sollten sie den Kinderarzt oder im Zweifel einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt hinzuziehen. Die meisten Ärzte machen die Entscheidung darüber, ob die Mandeln entfernt werden sollten, von den Beschwerden und vom Alter des Patienten abhängig. »Bis zum Alter von vier Jahren würde ich die Mandeln nur in Ausnahmefällen entfernen«, sagt Stefan Dazert, leitender Oberarzt an der HNO-Klinik Essen. »Etwa wenn sie jährlich vier Mal oder öfter entzündet sind oder bei einem Abszess.« Bei vergrößerten Mandeln sollte man möglichst noch abwarten, bis die Kinder älter sind. Müssen die Mandeln dann tatsächlich heraus, rät Dazert zu einer beidseitigen vollständigen Entfernung. Von dem in manchen Kliniken praktizierten Verfahren, vergrößerte Mandeln ambulant per Laser abzuschaben, den Mandelkern aber stehen zu lassen, der so genannten Elektro-Tonsillotomie, hält der Mediziner wenig. »Dabei kann man in das Organ reichende Schleimhauttunnel verschließen und Entzündungen auslösen.«
Als geradezu gefährlich kritisiert der Mediziner jedoch die Angebote mancher Ärzte, die Mandeln ambulant zu entfernen. Denn das größte Risiko der Operation sind Nachblutungen, die in etwa einem Prozent der Fälle auftreten - oft auch nach mehreren Tagen - und die tödlich enden können. »Das sollte man niemals ambulant machen lassen, sondern immer stationär und die Kinder anschließend nachbeobachten.«
Walter Willems
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