»Hungrig nach dem neuen Saal«
Chefdirigent Michael Sanderling über die Zukunft der Dresdner Philharmonie und des Kulturpalastes
nd: Herr Sanderling, Sie haben voriges Jahr das Amt des Chefdirigenten der Dresdner Philharmonie in dem Wissen übernommen, dass in diese Zeit der Umbau des Kulturpalasts Dresden, des Sitzes der Dresdner Philharmonie, fällt. Fühlen Sie sich mehr als Leidtragender oder als Pionier eines großen Plans?
Sanderling: Weder noch. Als ich zum Orchester kam, war der Umbau politisch und de facto beschlossen. Ich kannte die Bedingungen der nächsten Jahre und ich bin froh über diese Entscheidung. Das Orchester hat einen seinem Können adäquaten Konzertsaal verdient, um seine Qualität vervollkommnen zu können. Auch Dresden hat einen Saal verdient, den andere Orchester in vergleichbaren Städten längst haben. Auf der internationalen Landkarte wird Dresden endlich ein Punkt sein, um den viele Spitzenorchester keinen Bogen mehr machen.
Was sagen Sie zu der Meinung Christian Thielemanns, des Generalmusikdirektors der Sächsischen Staatskapelle Dresden, der Kulturpalast sei nicht mehr zeitgemäß? Um die Staatskapelle hatte sich ja Widerstand gegen den Umbau formiert. Jene wollten stattdessen ein neues Konzerthaus.
Ich glaube, Christian Thielemann meinte den Festsaal im Kulturpalast, der nicht mehr den Ansprüchen genügt. Gerade diese inneren Werte werden nach dem Umbau allerhöchsten Ansprüchen genügen. Es gab und gibt ein verständliches Interesse vieler Dresdner Musiker - nicht nur der Staatskapelle - an einem neuen Konzerthaus. Aber es hat nachweislich keine Erfolgsaussicht, weil die Finanzierung nicht möglich ist. Wer jetzt noch gegen den Kulturpalast-Umbau votiert, riskiert, dass Dresden nichts mehr hat - überhaupt keinen Konzertsaal. Denn der Palast ist inzwischen geschlossen worden, weil seine Betriebserlaubnis abgelaufen ist. Der Umbau zum Konzertsaal ist die einzig realistische Alternative. Wenn der Freistaat Sachsen seinerzeit gesagt hätte, wir beteiligen uns an einem Konzerthaus, wäre das etwas anderes gewesen. Nun ist es meine Arbeit, allen klarzumachen, dass der neue Konzertsaal der einzige und richtige Weg ist.
Wie gefallen Ihnen die Pläne der Architekten? Welchen Einfluss werden Sie auf die Ausführung haben?
Wir stehen in engem Kontakt mit den Bauleuten, und wir werden regelmäßige Meetings haben. Wenn ich vom Projekt nicht überzeugt wäre, hätte ich das Amt nicht übernommen.
Das Ausweichen auf andere Spielstätten und Probenräume bedeutet Strapazen für die Musiker. Drückt oder hebt das die Stimmung? An anderer Stelle haben Sie gesagt, man müsse das Orchester vor der Gefahr schützen, auseinanderzubrechen. Fühlen Sie sich auch als Sozialarbeiter oder als Seelsorger?
Das Orchester ist sehr hungrig nach dem neuen Saal, und es ist deswegen in der Übergangszeit auch leidensfähig. Sieben Ausweich-Spielorte sind eine Belastung für das Orchester, aber sie sind auch eine große Chance für seine Flexibilisierung. Wir sind in einer Goldgräberstimmung. Wir müssen und wir wollen das Publikum mit der gewohnten Qualität versorgen. Ich freue mich, dass wir im Albertinum Bedingungen schaffen können, die einen wirklichen Ersatz darstellen. Eine Gefahr für das Orchester hätte bestanden, wenn das Projekt Kulturpalast-Umbau wieder gekippt wäre. Das wäre gleichbedeutend mit dem Weg nach unten, der Beginn vom Ende. Gute Musiker würden dann weggehen. Momentan ist alles im Fahrplan, und ich habe großes Vertrauen in diejenigen, die den Umbau auf den Weg gebracht haben.
Wird der berühmte sächsische Klang unter dem Vagabundieren leiden?
Der Klang der Philharmonie hängt nicht allein vom Saal ab. Er wird geübt in vielen Situationen und Spielstätten. Wenn wir auf Gastspiel gehen, haben wir auch die verschiedenartigsten Säle.
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