Doktor in Anführung
Plagiatsaffäre Schavan
Hat sie nun oder hat sie nicht? Hat Annette Schavan in ihrer 1980 vorgelegten Dissertation (»Person und Gewissen«) von anderen Autoren abgeschrieben, ohne die Quelle hinreichend geltend zu machen (gemeinhin Plagiat genannt) oder hat sie nur einige »handwerkliche Fehler« gemacht, wie die Verteidiger der Bundesbildungsministerin argumentieren?
Die Frage kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig mit Ja oder Nein beantwortet werden. Es spricht nach den am Wochenende veröffentlichten Einzelheiten aus dem Gutachten der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität, an der Schavan vor mehr als 30 Jahren promoviert hat, allerdings einiges dafür, dass Schavans Dissertation sich einordnet in die lange Reihe sogenannter Karrierepromotionen, die allein dem beruflichen bzw. politischen Fortkommen dienen sollen und nicht forschender Erkenntnis Willen verfasst werden. Die CDU-Politikerin hat zwar schon vor Beginn ihrer politischen Karriere promoviert, wechselte aber unmittelbar nach Abschluss ihres Studiums zum bischöflichen Studienwerk Cusanus und von dort in die Politik, mit wissenschaftlicher Forschung hatte die Wissenschaftsministerin fortan persönlich nichts mehr zu tun.
Auf 60 der 351 Seiten langen Doktorarbeit soll Schavan von anderen abgeschrieben haben bzw. unsauber zitiert haben. Das ist deutlich weniger als bei ihrem früheren Kabinettskollegen Karl-Theodor zu Guttenberg, bei dem wohl kaum eine Zeile seiner Dissertation auf eigenständigen Gedankengängen beruht, aber zu viel für eine Wissenschafts- und Bildungsministerin, die schon von Amts wegen stets als Verteidigerin des akademischen Leistungsethos auftritt. Schavans Pech ist, dass mittels Suchmaschinen im Internet mangelhaft belegte oder gar abgeschriebene Textstellen heute leichter aufzufinden sind als noch vor 30 Jahren.
Und so gerät nicht nur sie in Erklärungsnot. Im Mai dieses Jahres veröffentlichte die FAZ eine Art Verteidigungsschrift für Annette Schavan. Die Autoren Heinz-Elmar Tenorth und Dietrich Benner machten darin geltend, dass für Karrierepromotionen andere Qualitätsstandards gelten müssten als für gewöhnliche akademische Abschlüsse (»Zitierfehler, aber kein Plagiat«). Sicherlich habe Schavan einige »handwerkliche Fehler« beim Zitieren von Quellen gemacht, allerdings weniger, als für solche Formen der Dissertation zu befürchten seien, schrieben die beiden emeritierten Professoren der Berliner Humboldt-Universität. Anders ausgedrückt: Annette Schavan hat in ihrer Doktorarbeit weniger getürkt als andere, die ihren akademischen Titel allein der sozialen Reputation halber erworben haben. Bösartig formuliert: Da will die eine Krähe der anderen kein Auge aushacken.
Die Düsseldorfer Universität war tätig geworden, nachdem im Frühjahr dieses Jahres ein Blogger angegeben hatte, mehrere Plagiatsstellen in der Dissertation Schavans gefunden zu haben. Die Heinrich-Heine-Universität muss jetzt entscheiden, ob sie Schavan ihren Doktortitel entzieht oder nicht. Es gäbe allerdings noch eine andere Lösung: Man könnte den Fall Schavan als Anlass nehmen, solche Doktortitel künftig in Anführung zu setzen, um damit andere Arbeiten von ihnen abzugrenzen.
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