Ein Jahr nach dem Auffliegen der NSU
Noch immer ranken sich viele offene Fragen um den Rechts-Terror
Am 4. November vor einem Jahr wurden Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach einem Bankraub in Eisenach tot aufgefunden. Am selben Tag zündete deren Komplizin Beate Zschäpe eine Wohnung in Zwickau an. Bereits nach ersten Ermittlungen war klar: Eine rechtsextremistische Terrorzelle, genannt »Nationalsozialistischer Untergrund« (NSU), war aufgeflogen. Ihr werden mindestens zehn Morde, 14 Banküberfälle und ein Bombenanschlag zur Last gelegt. 13 Jahre lebte die zur Fahndung ausgeschriebene Gruppe im Untergrund.
Gab es wirklich keine Chance, den rassistischen Mördern früher das Handwerk zu legen? Bernhard Falk, langjähriger Vize des Bundeskriminalamtes (BKA), von Kollegen wie ministeriellen Vorgesetzten als oberster und bester Polizist Deutschlands geschätzt, urteilt hart: Die Ermittlungen zur NSU-Mordserie sind »kriminalfachlich stümperhaft« geführt worden. Die beteiligten Landesbehörden, so sagte er vor dem Bundestags-Untersuchungsausschuss, hätten kein »einheitliches Ermittlungs- und Fahndungskonzept« gehabt, das BKA habe es versäumt durch eine mögliche Übernahme der Ermittlungen die »Chancen auf einen Aufklärungserfolg« zu erhöhen.
Wieso war beim NSU-Terror nicht möglich, was bei der Verfolgung der sogenannten Sauerlandgruppe 2006 und 2007 möglich war? Gegen Islamismus arbeiteten die Sicherheitsbehörden Hand in Hand. Wie zu Zeiten, als man in den 70er Jahren vermeintlichen Linksterroristen mit Hochdruck jagte, denn die RAF griff das System an, tötete Banker, Manager, Strafverfolger.
Die Rechtsterroristen brachten acht türkische Kleingewerbetreibende und einen Griechen um. Der Mord an einer Polizistin konnte erst ab November 2011 auf das NSU-Konto gebucht werden. Bestätigt sich hier der erschreckende Verdacht, dass die im Grundgesetz verbriefte unantastbare Würde eines jeden Menschen unterschiedliche Wertigkeit hat?
Seit knapp einem Jahr hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen, das BKA recherchiert, parlamentarische Untersuchungsausschüsse suchen Antworten. Doch wie viele Erkenntnisse zum einstigen Netzwerk NSU, wie viel Wahrheiten über aktuelle Gefahren des Rechtsextremismus wurden ans Licht gebracht? Schon auf einfache Fragen, die bereits zum Beginn der Ermittlungen aufgeworfen wurden, gibt es noch immer keine schlüssigen Antworten. hei
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