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Sprache der Liebe als lustvolle Kunst

Benedykt Dyrlich: »Der Tiger im Pyjama«

  • Henry-Martin Klemt
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit gut vier Jahrzehnten bereichert Benedikt Dyrlich nicht nur die sorbische, sondern auch die deutsche Literatur. Autoren und Wissenschaftler wie Kito Lorenz oder Bernd Leistner reflektierten früh das lyrische Werk des 1950 in Neudörfel geborenen Dichters. »Die Provinz erweist sich als trächtig genug für literarische Auskünfte mit Welt-Bedeutung«, schrieb Jurij Koch bereits 1979 in der »Neuen Deutschen Literatur«. Mit seinem Band »Der Tiger im Pyjama« legt Benedikt Dyrlich jetzt Liebesgedichte und einige poesievolle Prosatexte vor, die einen Zeitraum von den 70er Jahren bis in die jüngste Vergangenheit umspannen.

In vier Kapiteln blättert Dyrlich auf und entblättert sich wie die Objekte seiner Begehrlichkeit, feiert die Auferstehung zu zweit oder das Zusammenflicken des Herzens, überschreitet Grenzen, tritt in die Scherben des magischen Bildes, sieht die Axt wogen über zwei Schatten. Alles hat seine Zeit, hat seinen Ort. »Und du bist weit nah.« Auch im Intimen offenbart sich Dyrlichs Vertrauen in die poetische Landschaft. Zwischen fruchtbar und furchtbar taumelt die Liebe, und es sind nicht nur Liebes-, sondern auch Lustgedichte, es sind auch Spiel- undSpiegelbilder einer Leidenschaft, die sich ausleben muss, als ob es kein zweites Mal gäbe. Dieses Ineinander-Eingehen, Einander-Zufallen, Aufeinander-Stürzen oder nur Getrieben-Sein, ist immer Teil der Natur, der Jahreszeiten, und holt auch den Menschen zurück in seine Natur. Die Zusammengehörigkeit beharrt auf ihrer eigenen Ausschließlichkeit, in Romanzen, die ganz unromantisch sind, aber selten ohne den Schleier der Ironie. Absichtslos breitet das Land sich. Rechtfertigungslos regt sich der Leib. Liebe sperrt ein und Liebe sperrt aus. Liebe hebt jede Nebensächlichkeit auf. Dyrlich nimmt in seinen Gedichten fast stets eine ganze Szenerie in den Blick. Gegen die Kulisse mag vieles sprechen, gegen den Moment der Zweisamkeit spricht nichts. Auch wenn die Entkleidung der Liebsten zur Entkleidung der Liebe wird. Wir sehen (was sonst): Die Liebe ist nackt.

Die dem Rationalen innewohnende Eigenschaft, fortwährend Distanz zu produzieren, kann - gerade in der Literatur - schnell zur ästhetischen Zumutung werden. Die Furcht vor der Distanzlosigkeit kann zum größeren Trauma werden, als Distanzlosigkeit selbst, die gleichermaßen fesselt und entfesselt. Der Verlust des Kalküls ist etwas höchst Menschliches, Ent-Grenzung, Er-Leben. Die literarische Entsprechung des Kalküls ist die Manier. Der Poet Dyrlich bewegt sich in diesem Spannungsfeld mit wohlgezügeltem Gestüm, artistischer in den früheren, präziser und raum-greifender in den reiferen Gedichten. Die Sprache der Liebe offenbart er dem Leser als lustvoll geübte Kunst.

Benedikt Dyrlich: Der Tiger im Pyjama / Tiger w nócnej kosli. Domowina Verlag, 167 S., geb., 16,90 €.

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