LINKE-Basis wünscht sich Pflege

Lafontaine kritisiert auf Parteitag an der Saar die »werkelnde« Große Koalition

  • Oliver Hilt, Saarbrücken
  • Lesedauer: 3 Min.
Gut ein halbes Jahr nach den vorgezogenen Landtagswahlen hat die LINKE im Saarland ihre Positionen als führende Oppositionskraft gegen die Große Koalition festgezurrt.

Die Kultur- und Sporthalle im St. Wendeler Ortsteil Bliesen war am Sonnabend in regnerisch-trübes Novemberwetter gehüllt. Zwei Sonnenschirme aus dem letzten Wahlkampf boten vor der Tür ein wenig Schutz für die Raucher. In der Halle zerpflückte Fraktionschef Oskar Lafontaine vor rund 135 Delegierten das erste halbe Regierungsjahr der Großen Koalition. »Die werkelt vor sich hin, hat aber keine Lösungen«, wetterte Lafontaine. Man hätte ja erwarten können, eine große Koalition sei stark genug, die Haushaltsprobleme zu lösen, »bis jetzt ist das aber nicht zu sehen«.

Mit Sparen allein seien die Probleme nicht zu lösen, bekräftigte Lafontaine seine Kritik und warf der Großen Koalition vor, bei ihrem eingeschlagenen Sparkurs mit falschen Zahlen zu operieren. Wenn die Landesregierung, wie angekündigt, jährlich 65 Millionen Euro zur Einhaltung der Schuldenbremse sparen wolle und rund 40 Prozent des Landeshaushalts Personalkosten seien, dann müsse das Land bis 2020 rund 5200 Stellen im öffentlichen Dienst abbauen. Das seien dann »weitaus mehr als das Doppelte« dessen, was die Landesregierung bislang angekündigt habe. CDU und SPD verhandeln derzeit mit den Gewerkschaften über einen Abbau von rund 2400 Stellen.

LINKE weint Ausgetretenen keine Träne nach

Das eigene Landtagswahlergebnis und Unruhe durch jüngste Austritte waren für die Delegierten auch Anlass zu einer Debatte über den Zustand der Partei. 16,1 Prozent hatte die LINKE bei der vorgezogenen Landtagswahl nach dem Scheitern von »Jamaika« eingefahren, gegenüber den überraschenden 21,3 Prozent 2009. Zuletzt hatten Austritte kommunaler Mandatsträger für Schlagzeilen gesorgt. Die Parteispitze reagierte gelassen. Landesparteichef Rolf Linsler: Die Partei habe sich mit »genau 2388 Mitgliedern« als drittstärkste Kraft sowohl »bei Wahlergebnissen als auch bei den Mitgliedern« etabliert. Jüngste Austritte kommentierte er mit den Worten: »Wir sind froh, wenn die, die uns Knüppel zwischen die Beine werfen, weg sind«.

Die zuletzt Ausgetretenen hatten kritisiert, Politik der LINKEN finde nur noch im Landtag statt, die kommunale Ebene werde vernachlässigt. Volker Schneider, bis 2009 im Bundestag, mahnte, die Partei müsse ihre Basis »etwas mehr hegen und pflegen«, dann sei sicherlich auch »der eine oder andere Austritt zu vermeiden« gewesen. Lafontaine erwiderte, letztlich interessiere die Menschen weniger, was innerhalb von politischen Parteien los sei, sondern »welche Vorschläge sie zur Verbesserung der Lebensverhältnisse« machen. In den einstimmig beschlossenen »Landespolitischen Leitlinien 2013/2014« forderte die Partei Maßnahmen zur Bekämpfung der Altersarmut, einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, ein Transparenzgesetz sowie eine Strompreiskontrolle, um zu verhindern, dass die Kosten für eine notwendige Energiewende allein auf die Verbraucher abgewälzt würden.

Konjunktur durch Dispo-Zinserlass

Lafontaine forderte außerdem ein gerechtes Steuersystem und eine »Millionärssteuer«, um »Schulen, Polizei und andere staatliche Aufgaben finanzieren« zu können. Zudem unterstrich er die Forderung nach einem Verbot von Wucherzinsen auf Dispo-Kredite. Wenn die auf maximal fünf Prozent über dem Leitzins begrenzt würden, käme das vielen Familien und kleinen Unternehmen zugute und würde wie ein Konjunkturprogramm wirken.

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