Rathauspersonal als Aufbauhelfer

Stadt Oschatz beschließt Tariferhöhung, will aber nicht in den Arbeitgeberverband zurückkehren

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Fünftel aller sächsischen Kommunen sind nicht im Arbeitgeberverband und damit meist nicht tarifgebunden. Gehaltszuschläge gibt es deshalb nur nach Gusto - wie jetzt in Oschatz.

Bei den Beschäftigten der Stadt Oschatz könnte vorfristig Weihnachtsstimmung einziehen. Kürzlich hat ihnen der Stadtrat der 15 000 Bürger zählenden Stadt ein unverhofftes Geschenk bereitet: Sie erhalten mehr Geld. 2013 sollen die Gehälter um fünf Prozent aufgestockt werden, 2014 um weitere drei Prozent. Man habe ein »Zeichen setzen« wollen, dass die Leistung der 180 Mitarbeiter »anerkannt und geschätzt wird«, sagt Manfred Schade, Personalchef im Rathaus. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kommentiert, damit sei »die Welt in Oschatz ja erst einmal wieder in Ordnung«.

Der Sarkasmus ist nicht zu überhören; schließlich mussten die Stadtbeschäftigten lange genug auf eine Aufstockung warten. 2004 war die Stadt aus dem kommunalen Arbeitgeberverband ausgetreten. Die von diesem verhandelten Tarifabschlüsse hätten »keinen Bezug mehr zur Einkommensentwicklung in der Region und der Leistungsfähigkeit der heimischen Wirtschaft« gehabt, sagt Schade.

Ein Fünftel ausgetreten

Finanzielle Not spielte keine Rolle: Der Etat von Oschatz, wird betont, war und ist ausgeglichen. Andere Gemeinden trieben Finanzprobleme zum Austritt. Insgesamt sind 22 Prozent der sächsischen Kommunen nicht im Arbeitgeberverband, deutlich mehr als in Sachsen-Anhalt und Thüringen, sagt Manuela Schmidt, für Gemeinden zuständige Fachbereichsleiterin in der Gewerkschaft ver.di.

Für Mitarbeiter in Ordnungs- und Standesamt, Bauhof und Kitas hieß das: Gehaltserhöhungen ade. Weil Tarifsteigerungen an Oschatz vorbeigingen, erhalten dortige Beschäftigte mittlerweile bis zu 23 Prozent weniger Geld als Kollegen in anderen Städten. Die Leistung hat darunter nicht gelitten, sagt Thomas Schneider, Chef der LINKEN im Stadtrat von Oschatz: Die Verwaltung gelte als »Aushängeschild«. Die gute Arbeit »spiegelt sich freilich nicht in der Entlohnung«, fügt der Fraktionschef hinzu. Vielmehr habe die Stadt bei Gehältern gespart und das Geld, aufgestockt durch Fördermittel, in Baumaßnahmen in der sanierten Altstadt gesteckt: »Die Beschäftigten trugen einen guten Teil zum erfolgreichen Stadtumbau bei.«

Ein Umdenken setzte erst ein, als das Personal etwa in den städtischen Kitas knapp zu werden begann. Zunächst habe man mit einer »Fangprämie« reagiert, sagt Schneider - ohne viel Erfolg. 2012 gab es dann erstmals ein Gehaltsplus. Laut Rathaus waren es zwei Prozent, nach Berechnungen von ver.di nur 1,3 Prozent, weil sich die Erhöhung nur auf Teile der Gehälter auswirke. Auch die Anhebung für 2013 / 14 liege unter den offiziell genannten acht Prozent, sagt Schmidt. Der Abstand zu Tarifgehältern ändert sich kaum: Tarifbeschäftigte erhalten bis 2014 ein Plus von 6,3 Prozent. Laut der Stadt kostet das Plus 180 000 Euro im ersten und weitere 120 000 Euro in den folgenden Jahren.

ver.di will Haustarif

Zuwächse wird es in Oschatz wohl auch in Zukunft nur geben, wenn Rathauschef und Stadtrat das für notwendig halten: Es gebe derzeit »keinerlei Überlegungen« für eine Rückkehr in Arbeitgeberverband und Flächentarif, sagt Personalchef Schade. Ver.di drängt derweil auf einen Haustarifvertrag, wie es ihn in »einer Handvoll« Kommunen gibt. Am Montag wollen die Beschäftigten in Oschatz beraten, was sie dafür zu tun bereit wären.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.