Zungenbrecher mit System
Einmal im Jahr können »Star Trek«-Fans in Saarbrücken Klingonisch lernen
Saarbrücken. Das, was Lieven Litaer von sich gibt, klingt für unkundige Ohren wie eine bedenkliche Mischung aus einer Halsentzündung und einem russischen Zungenbrecher. »bIyaj'a'« sagt er oder auch »paq yItlhap«. Rund 20 Menschen blicken Litaer dabei an, manche notieren sich die Laute schnell auf einem Block. Vielleicht wird es später abgefragt. Litaer leitet in einer Saarbrücker Jugendherberge einen Sprachkurs. Doch nicht nur die aufblasbaren Langschwerter an der Wand verraten: Es ist kein gewöhnlicher Kurs.
»Wo ist das Bier«
Litaer unterrichtet Klingonisch, eine Sprache, die in den »Star Trek«-Filmen ihren Ursprung hat. In den 1960ern begann die Reihe mit dem »Raumschiff Enterprise«. Klingonen sind dort kriegerisch, haben eine zerfurchte Stirn und ein aufbrausendes Temperament. »Klingonen kommen auf den Punkt, sie würden nie sagen ›Guten Tag wie geht es dir, wie war die Reise?‹«, sagt Litaer. »Sie würden eher sagen: ›Wo ist das Bier?‹«. Klingonisch klingt dabei aggressiv, ist aber kein beliebiges Kauderwelsch. Der amerikanische Sprachwissenschaftler Marc Okrand erfand die Sprache im Auftrag des Konzerns Paramount Pictures. Es gibt feste grammatikalische Regeln und rund 3000 Vokabeln.
Das Saarbrücker Seminar ist nach eigenen Angaben der einzige und damit auch größte Klingonisch-Kurs der Welt. Litaer bietet ihn Jahr für Jahr und mittlerweile zum elften Mal an. »Das Klischee geht natürlich davon aus, dass hier nur Informatiker, Nerds und vor allem Männer sitzen», sagt der 32-jährige Architekt. Das Verhältnis der Geschlechter sei jedoch in etwa ausgeglichen. Vor 17 Jahren begann Litaer selbst die »Star Trek«-Sprache zu üben. Unter anderem habe ihm das später geholfen, Türkisch oder Arabisch zu erlernen, sagt er.
Die meisten Seminar-Teilnehmer kommen, weil sie sich selbst als »Trekkies« sehen, also als treue Fans der Serie. Von ihnen gibt es in Deutschland viele: Unter anderem hat auch Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) in einem Interview bekannt, »Trekkie« zu sein. Im Seminarraum fehlt es daher nicht an klingonischer Folklore: Einige tragen Umhänge, andere Stirnmasken, viele trinken aus »Blutwein»-Bechern. Und natürlich ist »Star Trek« Thema.
Beim Mittagessen unterhalten sich Dennis Andree und Monika Kirchenmaier über die Hauptdarsteller. William Shatner alias Captain Kirk - eher nicht so beliebt. Viel besser: Leonard Nimoy, der Mr. Spock. Andree denkt gerade darüber nach, ein Kostüm aus dem Originalstoff der Filme zu ersteigern. Das letzte Angebot habe bei rund 800 Euro gelegen. Und Kirchenmaier erinnert sich: »Als ich 1972 die deutsche Erstausstrahlung gesehen hatte, wollte ich schon lieber Klingone und Föderation spielen statt Räuber und Gendarm.«
Halsschmerzen inklusive
Fast vier Tage dauert der Kurs. Unterrichtsstoff gibt es ausreichend. Klingonisch ist Popkultur geworden, es gibt klingonische Flirttechniken, die Suchmaschine Google und selbst Shakespeares »Hamlet« auf klingonisch. Hängen bleibt bei vielen vor allem die markante Begrüßung »nuqneH« - zu Deutsch »Was willst du?« - und die Verabschiedung »Qapla'«. Sie heißt schlicht »Erfolg«.
Schöpfer Okrand sei es bei Klingonisch darum gegangen, eine besonders fremdartige Sprache zu erfinden, erklärt die Leipziger Linguistik-Professorin Sabine Fiedler, die im Bereich Plansprachen forscht. »Sie enthält daher vor allem solche Laute, die es in den meistverbreiteten Sprachen nicht gibt«, sagt Fiedler. Klingonisch könne man daher auch nicht mit einer ebenfalls erdachten Sprache wie Esperanto vergleichen: Leichte Erlernbarkeit sei nicht erwünscht.
Dass Klingonisch kompliziert ist, streitet der Schöpfer auch gar nicht ab. Schuldbewusst lässt Klingonisch-Erfinder Marc Okrand den Sprachschülern beim Seminar per Brief ausrichten, sie könnten ihn für ihre Probleme gerne verantwortlich machen: »Auch für die Halsschmerzen, die durch die aggressive Sprechweise entstehen.«
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