Verbieten?

Pro und Contra zum Verbot der NPD

  • Markus Drescher und Ines Wallrodt
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Innenminister des Bundes und der Länder wollen am Mittwoch über einen erneuten Antrag auf Verbot der NPD beraten. Im Notfall wollen die Länder auch ohne den Bund die Einleitung eines Verfahrens beantragen. Wer ist die NPD? Und sollte sie verboten werden?

Pro Verbot

Von Markus Drescher

Mit einem Verbot der NPD verschwindet noch kein einziger Nazi. Rassismus, Antisemitismus und Homophobie bleiben das gleiche gesellschaftliche Problem. Dennoch sprechen drei Argumente für ein Verbot: Geld, Präsenz und Struktur. Ohne die staatlichen Zuwendungen aus der Parteienfinanzierung für die NPD würde ein Großteil der finanziellen Mittel wegfallen, mit der bisher etwa die Öffentlichkeitsarbeit bestritten wurde. Flugblätter, regionale Zeitungen mit oft weit über 100 000 Exemplaren Auflage, sogenannte Schulhof CDs – Massenpropaganda würde vorerst der Vergangenheit angehören. Mit dem Verschwinden von der parlamentarischen Bildfläche entfällt neben provozierenden Auftritten von Abgeordneten, die für Medienaufmerksamkeit sorgen sollen, zudem die Möglichkeit, sich den Wählern in Abgrenzung zu den »Systemparteien« als rechtsradikale Alternative zu präsentieren. Gerade in ländlichen, strukturschwachen Gebieten basiert jedoch die Anziehungskraft der Nazis auf dem selbstpropagierten Mythos, die NPD setze sich für die Interessen der kleinen Leute ein. Auch die finanzielle Absicherung von braunen Kameraden durch Posten in Fraktionen, Wahlkreisbüros, Bundes- und Landesparteien würde entfallen. Die Zahl der Nazis, die es sich leisten können, sich hauptsächlich mit Politik zu beschäftigen, würde sinken, die Organisation etwa von Aufmärschen erschwert. Diese dienen nicht nur zur Außendarstellung, sondern auch zur Festigung der internen Strukturen und der nationalen und internationalen Vernetzung verschiedener Spektren. Eingeschränkt würde auch die Schulung von Kadern, wie sie etwa die NPD-Jugendorganisation JN in den letzten Jahren verstärkt durchführt. Für die Verbreitung der neonazistischen Ideologie und Anwerbung von Mitgliedern wichtige Multiplikatorenaufgaben könnten somit nicht mehr erfüllt werden. Statt Hetze und Wahlkampf steht nach einem NPD-Verbot, das die Gründung von Nachfolgeorganisationen ausschließt, für die Nazis Restrukturierung auf der Tagesordnung. Zwar hat sich mit der Partei »Die Rechte« des bekannten, aber innerhalb der Szene nicht unumstrittenen Naziaktivisten Christian Worch eine mögliche Parteialternative gegründet. Doch ob die bisher in der NPD tonangebenden Kader sowie die Mitglieder ohne weiteres bereit sind, sich dort einzugliedern, ist offen. Wahrscheinlicher scheint eine Debatte um die Neuausrichtung des organisierten Neonazismus, in der auch die Freien Kameradschaften und sogenannten Autonomen Nationalisten mitmischen werden. Ob sich die rechte Szene auf absehbare Zeit von einem derartigen Schlag erholt, ist fraglich – zumal die Antifa mit Sicherheit keine Pause einlegt, bis sich die Nazis neu sortiert haben.

Contra Verbot

Von Ines Wallrodt

Die NPD ist eine faschistische Partei und ihr Programm noch viel übler als allgemein bekannt. Die Demokratie muss gegen ihre Gegner verteidigt werden. Ein NPD-Verbot setzt jedoch selbst auf eine tendenziell undemokratische, mindestens aber autoritäre Maßnahme. Es nährt die falsche Annahme, dass maßgeblich Staat und Gerichte für den Schutz der Demokratie zuständig sind. Aber nicht der starke Staat muss es richten, sondern jeder und jede Einzelne ist aufgefordert, aktiv zu werden. Aufgabe des Staates ist es, die Bedingungen für eine lebendige Zivilgesellschaft zu verbessern. Stattdessen werden antifaschistische Initiativen gegängelt und Jugendklubs geschlossen. Der Verbotsantrag bietet Politikern und Behörden nun die Chance, symbolisch Handlungsstärke zu beweisen und damit von ihrem Versagen gegen Naziterror abzulenken.

Kein Zweifel, für viele Antifaschisten, die ein Verbot wünschen, wird die Auseinandersetzung im Erfolgsfall nicht zu Ende sein. Aber trifft das auch für die Allgemeinheit zu, die gerade erst angefangen hat, sich selbst zu bewegen? Ein Verbot vermittelt das trügerische Gefühl: Problem gelöst. Die Demokratie stünde vielleicht als durchsetzungsfähig da, aber auch als schwach: zu schwach, um auf andere Weise mit der NPD fertig zu werden. Denn statt der inhaltlichen Widerlegung wird der Konkurrent verboten. Probleme mit Nazis bei Stadtfesten und vor dem Bahnhofskiosk wird es aber weiter geben. Das Gedankengut lässt sich nicht aus den Köpfen verbieten. Die NPD ist selbst ein Produkt von Verboten neonazistischer Vereine in den 90er Jahren. Damals schlüpften deren Funktionäre unter das Dach der NPD. Auch diesmal wird sich ein neues finden.

So schlimm es ist: Erst Wahlerfolge und Aufmärsche haben eine Diskussion über die NPD bewirkt. Wie groß wäre die Aufmerksamkeit für die menschenfeindlichen Einstellungen in der Gesellschaft, wenn ihr sichtbarer Ausdruck verboten wäre? Statt durch ein Verbot muss die NPD durch Auseinandersetzung mit ihren politischen Aussagen und Zielen bekämpft werden, auch mit Massenblockaden auf den Straßen. Nötig sind breite, gut abgesicherte Gegenprogramme und demokratische Verhältnisse, die erlebbar machen, was gut an ihnen ist.

Ein immanentes Argument zum Schluss: Die Erfolgsaussichten eines Verbots sind unsicher. Das liegt nicht nur an den V-Leuten, sondern auch an den zu Recht hohen Hürden für ein Parteiverbot. Karlsruhe könnte den Nachweis verlangen, dass die Bundesrepublik durch die NPD konkret gefährdet ist. Dies dürfte schwierig sein. Scheitert das Verbot, stärkt das die NPD, die eigentlich gerade auf dem absteigenden Ast ist. Nicht nur, aber auch dank der Gegenwehr demokratischer, antifaschistischer Menschen in diesem Land.

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