Enzym verhindert Exzesse
Mäusetest liefert viel versprechenden neuen Ansatz zur Behandlung der Alkoholsucht
Alkoholismus ist eine komplexe Erkrankung, beeinflusst von verschiedenen Genen und Umwelteinflüssen. Der individuelle Konsum steht auch im Zusammenhang mit Enzymaktivitäten. Um dies nachzuweisen, haben Wissenschaftler Mäuse gezüchtet, denen das Gen für das Enzym Neprilysin fehlt. Dessen Bedeutung bei Alzheimer und Fettleibigkeit hatten Untersuchungen bereits ergeben. Ein multidisziplinäres Team aus Berlin und Leipzig veröffentlichte nun Studienergebnisse, die zeigen, dass sich Mäuse ohne Neprilysin unter Stress zu Alkoholiker-Mäusen entwickeln.
Im Experiment konnten die Tiere frei zwischen Flaschen mit Wasser und mit Alkohol wählen. Sie wurden unter Stress gesetzt, indem man ein fremdes Männchen für maximal 15 Minuten mit in den Käfig setzte. In dieser Situation fingen sie an, sich verstärkt dem Alkohol zuzuwenden, und zwar in einem Verhältnis, das dem eines Alkoholikers vergleichbar ist. Blieb es bei einer einmaligen Stresssituation, so normalisierte sich der Alkoholkonsum nach einigen Tagen wieder. Wurden sie dagegen ein weiteres Mal gestresst, tranken sie exzessiv weiter.
Man sei optimistisch, dass die Studienergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, so der Biochemiker und Studienleiter Thomas Walther. »Der Zusammenhang zwischen der Neprilysin-Aktivität und stressbedingtem Alkoholkonsum ist jetzt hergestellt.« Man könne anhand dieser Ergebnisse einen völlig neuen Therapieansatz zur Behandlung des Alkoholismus aufzeigen. Auch wenn es bis zur Anwendung beim Patienten noch ein weiter Weg sei, glauben die Wissenschaftler daran, dass man bei Alkoholikern in Zukunft medikamentös auf den Proteinstoffwechsel einwirken kann. Die Forschungsgruppe von Walther ist dabei, Substanzen ausfindig zu machen, die aktivierend auf das Enzym Neprilysin wirken. Im Rahmen einer von der Deutschen Forschungs-Gemeinschaft geförderten Arbeit sind die Wissenschaftler bereits auf eine erste vielversprechende Substanz gestoßen.
»Alkoholismus gehört zu den verheerenden Krankheiten - mit massiven Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit, das familiäre Umfeld sowie auf das gesamte Gesundheitssystem. Jeder noch so kleine Fortschritt bei der Behandlung ist ein großer Schritt für den jeweiligen Betroffenen und sein soziales Umfeld,« so Walther.
nd
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