Jagd auf Osama bin Laden

Ab morgen im Kino: »Zero Dark Thirty« von Kathryn Bigelow

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 4 Min.

Wer Folterknechte bei ihrem verwerflichen Tun zeigt, muss deshalb noch kein Befürworter der Folter sein. So jedenfalls hat die zweifache Oscar-Preisträgerin Kathryn Bigelow die von drei US-Senatoren erhobenen Vorwürfe abgewehrt, sie habe in ihrem Oscar-nominierten Menschenjagd-Drama »Zero Dark Thirty« den Eindruck erweckt, das systematische Foltern von Gefangenen habe den US-Geheimdienst CIA auf die Spur von Osama bin Laden gebracht - und so die Menschenrechtsverletzung inhaltlich gerechtfertigt. Der Film startet morgen in den deutschen Kinos.

Bigelows Gegenwehr war zumindest teilweise erfolgreich: Mittlerweile ist es der Geheimdienst selbst, der im Verdacht steht, der Regisseurin und ihrem Drehbuchautor Mark Boal nicht nur detaillierte Einblicke in politisch verfänglichem Umfang gewährt, sondern sie möglicherweise gezielt mit Fehlinformationen versorgt zu haben. Dass bei der Suche nach bin Laden tatsächlich gefoltert wurde, ob nun mit brauchbaren Ergebnissen oder nicht, bestreitet dagegen niemand. Ob es andere, politische Mittel gegeben hätte, das Versteck des seinerzeit meistgesuchten Rädelsführers der Welt ausfindig zu machen, ist keine Frage, die der Film stellt. Jedenfalls nicht explizit. Damit ist »Zero Dark Thirty« tatsächlich ambivalenter in seiner Haltung zum moralischen Bankrott der USA im Kampf gegen den Terror als zum Beispiel Paul Haggis’ Irakkriegsdrama »Im Tal von Elah«, an dem Autor Mark Boal ebenfalls beteiligt war.

Eine auch nur unterschwellige Sympathie für die Foltermethoden der CIA unter US-Präsident Bush Junior wird man Bigelow aber trotzdem kaum unterstellen können (kleines Indiz: mit »Soprano«-Darsteller James Gandolfini stellt sie einen Mann an die Spitze der CIA, der sich dem kollektiven Gedächtnis als menschenmordender Mafioso eingebrannt hat.) Ein Problem ihres handwerklich ansonsten grandiosen Films ist es möglicherweise eher, dass er eigentlich ganz anders hatte enden sollen: Als die Filmemacher die Arbeit aufnahmen, war Osama bin Laden noch am Leben und die jahrelange Menschenjagd bislang nichts als ein kostenaufwendiger, kräftezehrender, psychisch zermürbender Fehlschlag. Stellt man sich »Zero Dark Thirty« mit offenem Ende vor, die ausgiebigen Folterszenen in Geheimgefängnissen quer durch den Mittleren Osten und Indischen Subkontinent hätten vor allem als verzweifelter Versuch einer Supermacht gewirkt, mit jedem, wirklich jedem Mittel den Erfolg herbeizuzwingen, der ihr quälend lange versagt blieb.

Stattdessen beginnt der Film nun mit Schwarzbild zu den Tonaufnahmen letzter Telefonate aus den New Yorker Twin Towers am 11. September 2001. Und endet mit dem nächtlichen Überfall eines Einsatzkommandos der Navy SEALs auf eine Vorstadtvilla im pakistanischen Abbottabad. Die bald zehn Jahre währende Personenfahndung zwischen diesen beiden Eckdaten erzählen Bigelow und Boal über die Figur der halbfiktiven CIA-Agentin Maya und einer Reihe weiterer Attentate. Während sie aber den Männern in ihrem vielfach ausgezeichneten Irakkriegsfilm »Tödliches Kommando - The Hurt Locker« noch menschliche Schwächen zugestanden hat - einen Weinkrampf nach der Entschärfung einer besonders tückischen Bombe als Ventil für die ständige Adrenalin-Überflutung zum Beispiel -, erlauben sie dieser stets eiskalt disziplinierten Maya (Jessica Chastain, zu recht Oscar-nominiert) solche menschlichen Momente nicht.

Zwar sieht Maya nicht gern zu, wenn die männlichen Kollegen ihre Gefangenen foltern, aber sie bleibt eisern zugegen - und greift auch nicht ein, als ein Gefangener sie direkt um Hilfe bittet. Dass es mehr als Informationssplitter sind, die jedes einzelne Verhör »mit verschärften Mitteln« allenfalls einbringt, behauptet der Film nicht - immerhin vergeht ein knappes Jahrzehnt zwischen den New Yorker Anschlägen und der Liquidierung ihres Auftraggebers. Vor allem könnte es allerdings so aussehen, als ob die Aussicht auf ein paar taktisch eingesetzte freundliche Worte und ein gutes Essen die Folteropfer schließlich zum Reden bringt. Eine filmische Übersetzung des Stockholm-Syndroms, das den Zuschauer beinahe ebenso angewidert zurücklässt wie die vorangegangenen Folterszenen.

Es sind die Toten der Attentate (und mutmaßlich ein erhebliches Maß an persönlichem Ehrgeiz), die Maya zu einem weit über das Normalmaß hinausgehenden Einsatz motivieren. Aber erst der gewaltsame Tod einer Kollegin gibt dem Feldzug die obsessive Spitze einer persönlichen Vendetta. Wenn Maya jetzt von ihrem Ziel spricht, den meistgesuchten Terroristen der Welt ausfindig zu machen, dann gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass sie es ist, die ihn erlegen will - erlegen, töten, zur Strecke bringen, auslöschen - und nicht etwa juristisch für seine Vergehen zur Verantwortung ziehen.

Erst ganz am Ende ihrer zehnjährigen Odyssee wird Bigelow ihrer Heldin ein paar Tränen gestatten. Da ist die Jagd vorbei, die Aufgabe erfüllt, der Maya ihr ganzes Leben widmete, das obsessiv verfolgte Ziel endlich erreicht - und die unmittelbare Zukunft erst einmal leer. Dass es Tränen menschlicher Rührung über den Tod mehrerer, durchaus auch unschuldiger Menschen sind, die Maya vergießt, wie einige US-Kollegen glauben mochten, ist unter diesen Umständen wohl eher eine fromme Hoffnung.

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