Pjöngjang trotzt allen Sanktionen

Nordkorea zündete »miniaturisierten« Atomsprengsatz

  • Daniel Kestenholz
  • Lesedauer: 3 Min.
Drei Wochen nach der Androhung eines neuerlichen Atomtests hat Nordkorea am Dienstag seinen dritten unterirdischen Kernwaffenversuch unternommen. Pjöngjang hatte China und die USA kurz vor der Zündung über den Test informiert. Ungeachtet dessen drohen dem Land schwerwiegende Konsequenzen.

Der Geologische Dienst der USA (USGS) registrierte am Dienstag um 3.58 Uhr MEZ - kurz vor Mittag Ortszeit - ein Erdbeben der Stärke 4,9. Die Wiener Behörde zur Überwachung des Kernwaffenteststoppabkommens (CTBTO) sprach später von einem »explosionstypischen« Beben: »Wir haben ein ungewöhnliches seismisches Ereignis in Nordkorea gemessen«, verkündete CTBTO-Sprecherin Annika Thunborg.

Zwei Stunden nach den Erdstößen bestätigte Nordkoreas staatliche Nachrichtenagentur KCNA einen »erfolgreichen Atomtest« auf »sichere und perfekte Weise«. Nach Angaben des südkoreanischen Verteidigungsministeriums hatte der Test auf dem Versuchsgelände Punggye-ri im Nordosten des Landes eine Sprengkraft von sechs bis sieben Kilotonnen, größer als bei den beiden vorangegangenen Tests in den Jahren 2006 und 2009. Zum Vergleich: Die Hiroshima-Bombe der USA 1945 hatte eine Sprengkraft von 13 bis 16 Kilotonnen.

Im nordkoreanischen Fernsehen pries ein Sprecher überschwänglich die »gute Leistung der nuklearen Abschreckung«. Pjöngjang bestätigte überdies, dass es sich bei dem Nuklearkörper um eine »kleinere und leichtere Atombombe, aber mit großer Sprengkraft« gehandelt habe. Damit wird angedeutet, dass die Nordkoreaner die Fähigkeit besitzen, Atomsprengkörper genügend klein zu bauen, um sie auf eine Langstreckenrakete aufzusetzen.

Ob es sich bei der »Miniaturisierung« um einen Bluff handelt, bleibt offen. Die Wortwahl macht jedoch deutlich, dass man allen Warnungen und Sanktionen zum Trotz an dem Plan festhält, in den Besitz von Kernwaffen und der entsprechenden Technologie zu gelangen, um die USA direkt zu bedrohen. Eine stärkere Bombe, so denkt man in Pjöngjang, erhöht das eigene Verhandlungsgewicht. Noch Stunden vor dem Test hatte UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon versichert, die Tür stehe offen für einen Wandel, sollte Pjöngjang in Gespräche über sein Atom und Raketenprogramm einwilligen. Die nordkoreanische Führung aber sieht sich im Recht. Nach der Verschärfung von UNO-Sanktionen im Januar, die einem nordkoreanischen Raketen- und Satellitentest im Dezember folgten, kündigte ein trotziges Pjöngjang nur noch mehr Raketen-, Satelliten- und Atomtests an. Zumal Südkorea Ende Januar - nahezu unbeachtet - ebenfalls einen Satelliten ins All geschossen hatte, wozu es selbstverständlich eines Raketenstarts bedurfte - übrigens mit russischer Unterstützung.

Während es sich bei den Atomtests 2006 und 2009 höchstwahrscheinlich um Plutoniumsprengsätze handelte, vermuten Beobachter diesmal eine Uranbombe. Die nordkoreanischen Plutoniumbestände gelten seit der Einmottung des Programms unter Aufsicht der Atombehörde IAEA als erschöpft. Parallel dazu soll jedoch ein technisch weit anspruchsvolleres Urananreicherungsprogramm verwirklicht worden sein. Ein Uranbombentest wäre Beweis dafür, dass Pjöngjang die schwierige Zentrifugentechnologie und dazugehörige Systeme beherrscht. Sogenanntes »Ausventilieren«, das nach unterirdischen Tests Radioaktivität freisetzt, wird in den nächsten Wochen auf das verwendete Material schließen lassen.

Der UN-Sicherheitsrat hatte schon vor der Testzündung eine weitere Verschärfung von Sanktionen angekündigt, denen sich auch Pjöngjangs wichtigster Verbündeter China unter neuer Führung anschließen dürfte. Nordkorea müsse im Falle eines neuerlichen Tests einen »hohen Preis« zahlen, hatte die Pekinger »Global Times« gefordert. Die schwarze Liste nordkoreanischer Unternehmen, Regierungsstellen, Wissenschaftler und Finanzakteure, die im Verdacht stehen, zur Entwicklung von Kernwaffentechnologien beizutragen, wird länger werden. Grenzkontrollen könnten verschärft werden. Ein anderes Druckmittel wären neue Handelssanktionen, die jedoch auch die bitterarme Bevölkerung treffen.

Bisher versagte jeder Sanktionsdruck die beabsichtigte Wirkung. Seit der ersten Nordkorea-Resolution 1718 im Oktober 2006 haben sich die Positionen stattdessen noch verhärtet.

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