Fremd in der Welt

Chemnitz: Der expressive Realist Conrad Felixmüller

  • Von Klaus Hammer
  • Lesedauer: 4 Min.

Die den Kunstsammlungen Chemnitz zugehörige Stiftung Gunzenhauser enthält neben fast 300 Arbeiten von Otto Dix oder 75 Werken von Alexej von Jawlensky 116 Werke von Conrad Felixmüller, des »Expressionisten der zweiten Generation«, die zwischen 1915 und 1970 entstanden sind. Ergänzt durch 80 Leihgaben präsentieren die Kunstsammlungen Chemnitz nun die erste Retrospektive des Werkes von Felixmüller seit über 20 Jahren. Unter den Aspekten Menschen, Familie, Orte, Zirkus, Freunde, Politik, Arbeitswelten und Tautenhain (dem Domizil Felixmüllers von 1944 bis 1961) werden Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und druckgrafische Arbeiten gezeigt.

Anfänglich vom »Brücke«-Expressionismus beeinflusst, hatte sich der in Dresden geborene Künstler in der Aufbruchsstimmung nach dem Ersten Weltkrieg dem Kommunismus zugewandt, emphatisch sich bekennend. 1920 nutzte er den ihm verliehenen Sächsischen Staatspreis nicht für einen Rom-Aufenthalt, sondern erschloss sich im Ruhrgebiet neue Bildthemen aus der Industrie- und Zechenwelt. Seine typologischen Arbeiterbildnisse haben ihre Wirkung auf den damals noch mit dem Dadaismus experimentierenden Otto Dix nicht verfehlt.

Bei Felixmüller erscheint die Vereinzelung der menschlichen Gestalt zwischen den für sich existierenden Dingen - die Häuser, die Brücke, die Gas- und Fördertürme - als Ausdruck der Fremdheit des Menschen in den ihm aufgezwungenen sozialen Verhältnissen. Die Proletarier mit ihren holzschnittartig kantigen, durchfurchten Gesichtern (so »Arbeiter Schiefner«, 1921) sind von einer Umwelt umgeben, zu der sie keine aktive Beziehung haben, gegen die sie als Einzelne auch nicht ankommen können. »Im Frühlingswind« (1920) kämpft sich ein Proletarier-Liebespaar - eng aneinandergepresst - verzweifelt durch die stürmische Nacht.

Aus Felixmüllers Selbstporträts und den Porträts seiner Künstlerfreunde spricht ein stoizistisches Pathos, getragen von expressiv-kubistischen Elementen. Kampfentschlossene Wut prägt das Gesicht seines Maler-Freundes Otto Dix. Sich selbst stellt er als finsteren, unverbindlichen Intellektuellen dar. Der »Dadasoph« Raoul Hausmann mit aufgerissenem Monokel-Auge erscheint wie ein agitatorischer Hypnotiseur.

Der stilistischen Erprobung der Übersteigerung und Verzerrung in den Arbeiter- und Künstler-Bildnissen stehen dann die Schilderungen seines Familienlebens gegenüber, mit denen er ab 1918 »die Kunst der Liebe, der menschlichen Beziehung« verwirklichen wollte. Gegen Ende der 20er Jahre hat er auch Mitglieder der gehobenen Gesellschaft die mondäne Schauspielerin, die extravagante Dame, die exotische Schönheit - porträtiert.

Nach der expressionistisch-kubistischen Phase war Felixmüller Realist und Pleinairist geworden. Die Landschaft, die Jahreszeiten gewannen an Bedeutung, die Farben leuchten zunächst in Orange, Gelb, Grün und Violett. Er setzte dann nicht mehr Komplementärfarben nebeneinander, sondern Ton an Ton, baute die Malerei in Valeurs auf. Er selbst hat dieses Verhältnis als »Abgeklärtheit« bezeichnet, die ihn für die sichtbaren Daseinseindrücke empfänglich machen sollte. Die Verve früherer Jahre ist jetzt zurückgenommen, eine Harmoniesehnsucht scheint ihn zu umgeben, und doch ist die malerische Kraft spürbar geblieben.

In vielen Selbstbildnissen hat Felixmüller Rechenschaft abgelegt über seinen Werdegang und jeweiligen Standort - es sind grüblerische Selbstanalysen (so das »Selbstbildnis mit Sportmütze«, 1920), sie spiegeln Glück und Leid, Zerrissenheit und Angst, Zuversicht und Resignation, Selbstbehauptungswillen wider. Er hat sich an der Staffelei dargestellt, zusammen mit seiner Frau Londa, sie oder seine Söhne Luca und Titus malend. Als proletarisches »Liebespaar vor Dresden« (1928) in veristisch harter Farbigkeit. Er hat seine Staffelei ebenso im sächsischen Braunkohlenrevier aufgeschlagen wie auf der einstigen Carola-Brücke, die Dresdner Altstadtsilhouette vor Augen. Gegen Ende seines Wirkens an der Universität in Halle hat er sich in einem Gruppenbild als lebenserfahrener Lehrer der Jugend porträtiert (»Selbstbildnis mit den Studenten in Halle«, 1960).

Die persönliche Diffamierung und die Liquidierung seiner Werke in der NS-Zeit haben Felixmüller schwer getroffen. Für ihn blieb 1934 nur die »Flucht« in die Anonymität Berlins, die Angst vor Durchsuchungen und öffentlichen Kontrollen ließen ihn große Teile seines Werkes vernichten, bisweilen übermalen. In Berlin ausgebombt, war er 1944 in das Dorf Tautenhain unweit von Leipzig übergesiedelt, für dessen Kirche er 1951/52 Emporengemälde schuf - von ihm als sein »Glaubensbekenntnis« bezeichnet.

Conrad Felixmüller - Zwischen Kunst und Politik. Kunstsammlungen Chemnitz / Museum Gunzenhauser. Bis 7. April. Katalog.

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