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Freunde wie Erdbeereis
Silke Antelmann schickt Mensch und Tier auf die Suche
Es ist schon schlimm, wenn einem Schlüsselbund, Lieblingshaarspange oder Teddys bunte Hose abhanden kommen. Aber wo soll man bitteschön suchen, wenn man sein Glücksgefühl vermisst? Welche Farbe hat es, wie riecht oder schmeckt es? Wohin könnte so ein Gefühl ziehen? An einen schönen See, in ein fremdes Land, zu einem anderen Menschen? Frau Gute Miene jedenfalls, die den herben Verlust erlitten hat, weiß gar keinen Rat. Sicherheitshalber meldet sie sich auf der Polizeiwache, wo sie auf Kommissar Habichdich trifft. Das war in all dem Unglück aber noch ein gehöriges Restchen an Glück, das muss man hier sagen. Denn dieser wackere Kriminalist entdeckt das Loch im Strumpf der guten Frau und damit genau die Stelle, durch die das flüchtige Glücksgefühl verschwunden sein musste. Es geht doch nichts über einen so qualifizierten Beamten, mit dem sich Frau Gute Miene, inzwischen schon ein klein wenig zuversichtlich, dann auf die Suche macht.
Und siehe da, die beiden sind nicht die einzigen, die etwas vermissen, was sie glücklich machte. Sie treffen so manche Figur in einer ähnlichen Lage. Da ist beispielsweise der Hund November, dem die Gefährten Oktober und Dezember abhanden gekommen sind, der eine ein bunter Specht und die andere eine dicke weiße Katze. Auch der Herr Gesangsverein in seinem schönen Frack hat eine schreckliche Vakanz zu beklagen. Er ist untröstlich ohne seinen Chor, der ihn einfach nicht in den Urlaub nach Spanien mitgenommen hat. Wen soll er jetzt dirigieren? Und Prinzessin Lewunia hat ihren Elfenbeinturm im väterlichen Schloss verlassen, weil sie die Langeweile dort nicht mehr ertragen konnte. Sie will sich jetzt ganz in Ruhe einen neuen Elfenbeinturm suchen, in dem ein bisschen mehr los ist.
Ein hübsches Grüppchen ist da zusammen gekommen, dessen Gespräche über die Bedeutsamkeit der jeweiligen Verluste einer Therapie gefährlich nahe sind. Aber wie witzig ist diese Therapie und wie sympathisch sind alle ihre Teilnehmer! Sie tauschen sich darüber aus, ob so ein Glücksgefühl eher laut oder leise ist, groß oder klein; ob Specht und Katze wohl gestohlen wurden oder einfach nur abgehauen sind; ob Spuren rosa sein und gute Freunde nach Erdbeereis riechen können.
Man muss kein Prophet sein, um sagen zu können, wie die Geschichte ausgeht. Alles wird gut, wenngleich nicht alles gefunden wird, was gesucht worden war. Womöglich macht einen ja im Leben hin und wieder etwas anderes froh, als das, was man so intensiv begehrte? Mit dem kleinen philosophischen Fingerzeig macht die Autorin auch die Erwachsenen glücklich, die den Kindern von den liebenswerten Figürchen vorlesen, die in lebendigen Farben und Konturen illustriert sind, als wären sie geradewegs aus Matthias Lehmanns Tuschkasten gesprungen. Bereits nach wenigen Seiten werden sie sicherlich ihren kleinen und großen Lesern ans Herz gewachsen sein.
Silke Antelmann: Gute Miene sucht spurlos verschwundenes Glücksgefühl. Ill. v. Matthias Lehmann. LeiV Verlag. 48 S., geb., 10,90 €.
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