Exilchef will »Sturz des Regimes«

Syrische Auslandsopposition spricht sich gegen Dialog mit Regierung aus

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine Rakete mit Giftgas soll in einem Dorf in der syrischen Provinz Aleppo eingeschlagen sein. Das berichteten die syrischen Medien und Oppositionelle am Dienstag übereinstimmend, wobei sie jeweils der anderen Bürgerkriegspartei die Schuld gaben.

Die »Nationale Koalition für die Kräfte von Opposition und Revolution in Syrien« hat sich am Montag einen Ministerpräsidenten gewählt. Auserkoren wurde der 50-jährige IT-Manager Ghassan Hitto, der der syrischen Muslimbruderschaft nahesteht. Hitto stammt aus Damaskus und ist in den USA aufgewachsen, er hat die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Nach der Gründung der Nationalen Koalition im November gab Hitto seine Arbeit in den USA auf und zog in die Türkei, wo er die Abteilung für humanitäre Hilfe der Nationalen Koalition leitete.

14 Stunden tagte das Gremium in einem Hotel in Istanbul, bis es sich auf diesen Kandidaten einigen konnte. Bei 20 Enthaltungen erhielt Hitto 35 der 49 Stimmen. In den nächsten Tagen soll Hitto eine Regierung bilden, er werde die Minister »nach ihren Fähigkeiten« auswählen, erklärte er. Die Regierung soll ihren Sitz in den »befreiten Gebieten« von Syrien haben. Wo das sein wird, wurde nicht bekannt.

Priorität hätten für ihn der »Sturz des Regimes« in Syrien und die Versorgung der Bevölkerung in den Gebieten, die unter der Kontrolle der Aufständischen seien. Die Offiziere der syrischen Armee rief er auf, die Waffen niederzulegen und sich den Aufständischen anzuschließen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte von Tunis aus, wo er sich derzeit aufhält, die Wahl Hittos, die er als »weiteren Schritt zur Festigung der Opposition« bezeichnete.

Die Wahl einer Exilregierung hatte in den letzten Wochen für Zerwürfnisse in der Nationalen Koalition gesorgt. Die Bereitschaft des Koalitionsvorsitzenden Mouaz al-Khatib, Gespräche mit Vertretern der syrischen Regierung aufzunehmen, war vor allem von den islamischen Kräften in der Gruppe, wie dem Syrischen Nationalrat, auf massive Kritik gestoßen. Khatib hatte die Wahl einer Exilregierung kritisiert und davor gewarnt, dass damit Syrien gespalten werden könne. Besser sei es, eine Übergangsregierung mit Vertretern der syrischen Regierung zu bilden, wie es auch die Genfer Vereinbarung vorsieht. Der Kurswechsel von Khatib war sowohl in Damaskus als auch in Moskau begrüßt worden. Syrien legte eine Liste von Personen vor, die an Gesprächen teilnehmen sollten. Moskau und Washington einigten sich, die Genfer Vereinbarung neu zu beleben und nach einer »politischen Lösung« für Syrien zu suchen.

Zweimal hatte die Nationale Koalition wegen der internen Debatte darüber die Wahl einer Exilregierung verschoben. Nun war aber offenbar auch für Khatib der Druck der Geldgeber der Koalition in den Golfstaaten zu groß geworden. Arabischen und UN-Quellen zufolge will vor allem Katar die Genfer Vereinbarung verhindern und drängte deshalb auf die Bildung einer Exilregierung, auch mit dem Ziel, dass diese den Sitz Syriens in der Arabischen Liga übernehmen soll. Die nächste Sitzung des Staatenbundes soll am Dienstag in der katarischen Hauptstadt Doha stattfinden.

Der Oberkommandierende des Militärrates der »Freien Syrischen Armee«, General Selim Idris, erklärte seine Unterstützung seiner Truppen für die Exilregierung. Man werde »unter dem Schirm dieser Regierung arbeiten«. Idris appellierte erneut an den Westen, die Aufständischen mit mehr Waffen auszurüsten. Er garantiere dafür, dass »diese Waffen nicht in die falschen Hände fallen.«

Die Kämpfe in Syrien gingen derweil weiter. In Damaskus waren in den vergangenen Tagen in verschiedenen Stadtteilen Granaten der Aufständischen eingeschlagen, an der Universität sollen Oppositionsangaben zufolgen Studierende festgenommen worden sein. Nach Angaben des syrischen Informationsministeriums wurden in der Provinz Aleppo am Montag 16 Menschen beim Raketenbeschuss durch Aufständische getötet. Die Raketen hätten chemische Substanzen enthalten, hieß es. Die Aufständischen erklärten, die Raketen seien von der syrischen Armee abgefeuert worden.

Aus libanesischen Geheimdienstkreisen war am Montag bekannt geworden, dass syrische Kampfjets und Hubschrauber am Montag Stellungen der Aufständischen im Norden Libanons angegriffen haben sollen. Zwei Raketen seien in einem unbewohnten, grenznahen Gebiet in der Bekaa-Ebene eingeschlagen. Die Angaben wurden von den USA bestätigt. Das syrische Außenministerium wies am Dienstag die Darstellung zurück und warf »voreingenommenen Staaten und Medien« falsche Berichterstattung vor.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief die Konfliktparteien erneut zu einer politischen Lösung auf, um eine völlige Zerstörung Syriens abzuwenden.

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