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Gestrandet im Hafen von Tunis

Papierlose schaffen es nicht bis zum Weltsozialforum

Als Globalisierungskritiker ist Petrus nicht in die Geschichte eingegangen. Und in Tunesien mit seinen 98 Prozent Muslimen ist er als Wettergott ohnehin kein Begriff. Fakt ist: Pünktlich zur Auftaktdemonstration des Weltsozialforums (WSF) um 16 Uhr am heutigen Dienstag konnte sich die Sonne durch die Wolkendecke kämpfen.

Ob es nun das elfte oder zwölfte WSF ist, da scheiden sich die Geister. Laut dem offiziellen Programm, das im Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten schon zwei Tage vor dem Start verfügbar war und nicht erst im Verlauf des ersten Tags, ist es das Zwölfte. Zwar ist unbestritten, dass das erste Forum 2001 in der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre stattfand, doch ob das Thematische Sozialforum 2012 dortselbst nun als Weltsozialforum zählt, oder nicht, darüber haben sich die Statistiker offensichtlich noch nicht einigen können.

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Livestreams

Livestream der Rosa-Luxemburg-Stiftung

Von Porto Alegre nach Tunis: Die Geschichte des Weltsozialforums

Die Brasilianer und ihre Visionen. So richtig ernst nahm im Mai 2000 im Berliner Mehringhof keiner der deutschen Internationalisten die Ankündigung von Antonio Martins: »Wir planen zum Beispiel für Ende Januar 2001 ein großes, globales Treffen in Porto Alegre, sozusagen ein Alternativtreffen zum Weltwirtschaftsforum in Davos«, ließ der brasilianische Attac-Mitbegründer damals im nd-Interview verlauten.

Die Idee des Weltsozialforums war damit in Deutschland angekommen. Doch die Skepsis, dass sich daraus etwas entwickeln würde, überwog. Schließlich ist es selten genug, dass sich das optimistische Szenario durchsetzt. Das Weltsozialforum jedoch ist bei allen Höhen und Tiefen ein Beispiel für eine positive Entwicklung und Entwicklungsmöglichkeit: Eine andere Welt ist möglich, wenn auch in Gänze nicht sofort.

2013 findet das WSF bereits zum zwölften Mal statt - dieses Mal in Tunesiens Hauptstadt Tunis - und hat sich fest etabliert. Kamen in Porto Alegre 2001 zum Start 15 000 Menschen, waren es 2005 zehnmal mehr. Und auch im indischen Mumbai, wo das WSF 2004 - erstmals nicht in Porto Alegre - stattfand, trafen sich rund 150 000 Globalisierungskritiker.

2006 wurden statt eines zentralen Weltsozialforums drei Regionalforen in Bamako (Mali), Caracas (Venezuela) und Karatschi (Pakistan) abgehalten. 2007 ging es zum ersten Mal komplett nach Afrika, damals war Nairobi, die Hauptstadt Kenias, Austragungsort. Nach einem dezentralen Weltsozialforum, organisiert als »Globale Aktionswoche« mit über 600 Einzelveranstaltungen auf allen Kontinenten im Jahr 2008, ging es 2009 mitten in den Amazonas - ins brasilianische Belém. Es kamen offiziell 133 000 Menschen. 2010 wurde es in ein dezentrales Dauersozialforum umgewidmet. 2011 ging es in die senegalesische Hauptstadt Dakar, nun zum ersten Mal nach Nordafrika. Erwartet werden in Tunesien bis zu 50 000 Teilnehmer aus aller Welt, die über Globalisierungsfragen, Arbeit, Frauenrechte und Zukunftsfragen debattieren wollen.

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Die Statistiker werden sich sicherlich auch über die Zahl der Teilnehmenden streiten können. Zwar gibt es Akkreditierungen, die sich zählen lassen, aber nicht jeder, der am Forum teilnimmt oder gar an den Demonstrationen zum Auftakt und zum Schluss, ist schließlich akkreditiert. Mit 30.000 Menschen rechnen die Veranstalter mindestens. Doch nicht alle, die kommen wollten, haben es geschafft. Ungewollt auf der Strecke blieben beispielsweise Mitglieder der Internationalen Koalition der Papierlosen und Migranten (CISPM) aus Frankreich, die mit einer Fähre aus Genua nach Tunis übersetzen wollten. Die Karawane, die sich am 18. März in Paris aufgemacht hatte, in Frankreich, Belgien und Italien für ihre Sache warb, hatte alles arrangiert.

Unter den 50 Teilnehmern sind 14 papierlose Westafrikaner und ein nicht visa-pflichtiger Tunesier. Sie kamen bis in den Hafen von Tunis und dann war Schluss mit lustig. Dabei waren nicht die tunesischen Behörden das Hauptproblem, sondern der italienische Kapitän. Sie dürfen für die Dauer des Forums einreisen, dann müssen sie nach Italien zurück, beschieden die tunesischen Beamten dem Kapitän. Doch der bekam kalte Füße und verweigerte die Zusage, die Papierlosen wieder zurückzubringen, da
ihm sonst in Italien eine Geldstrafe von 2000 Euro pro Person wegen Schleuserei drohte. Die Leidtragenden sind die Migranten: Nach der Rückkehr nach Italien droht ihnen nun die Abschiebehaft, was durch Solidaritätsdemonstrationen am Montag vor den italienischen Botschaften von Tunis, Paris. Rom und auch Berlin verhindert werden sollte.

Solidarität brauchen nicht nur die papierlosen Karawanenmitglieder. Solidarität haben auch die 130 Flüchtlinge aus dem Lager in Choucha an der Grenze zu Libyen verdient, die am WSF teilnehmen wollten. Sie wurden Montagnacht in ihren Bussen von tunesischen Sicherheitskräften gestoppt und an der Weiterreise gehindert. Dabei hatten Sie, schwarzafrikanische Flüchtlinge, die während des libyschen Bürgerkriegs fliehen mussten und sich nach Tunesien retteten, bereits die Genehmigung für die Teilnahme am Weltsozialforum vorliegen. Flucht und Migration gehören dort zu den Schwerpunktthemen einschließlich der katastrophalen Situation in Choucha, wo einst 3000 Flüchtlinge lebten und nun noch ein paar hundert hausen, für die sich kein Staat und auch nicht mehr das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) zuständig erklären. Ihnen wird ein offizieller Flüchtlingsstatus versagt. Unhaltbare Zustände, gegen die nicht nur die Auftaktdemonstration heute Stellung beziehen wird sondern mit Sicherheit das WSF an sich.

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