- Kultur
- Literatur
Mantel des Schweigens
»Die Mehrheit der jüdischen Israelis verband mit 1948 die hart erkämpfte Unabhängigkeit (›Komemyut‹), ein Zeichen der Hoffnung für Juden in aller Welt, nachdem drei Jahre zuvor das katastrophale Ausmaß des Holocaust evident geworden war. Viele Bürger des jungen jüdischen Staates glaubten, der palästinensische Exodus während des Krieges sei eine freiwillige Flucht gewesen; die Palästinenser seien ins Exil gegangen, weil sie hofften, bald mit dem siegreichen arabischen Militär zurückzukehren, die jüdische Bevölkerung zu vertreiben und die Früchte ihrer Arbeit zu genießen. Für die Palästinenser dagegen war 1948 eine unbegreifliche Katastrophe (Nakba, d.R.), die sie aus ihren Häusern und Dörfern vertrieben und ihnen ihre Lebensgrundlage, die Orte ihres kulturellen Erbes und ihr Gefühl der Zugehörigkeit genommen hatte ... brutale Vertreibung hilfloser Bürger, verbunden mit Plünderung, Vergewaltigung, Demütigung ...
Schon unmittelbar nach 1948 erschienen Prosa- und Lyrikwerke, die dich ernsthaft mit der Komplexität dieses Krieges und der Existenz vielfältiger, widerstreitender Erinnerungen an die Ereignisse beschäftigten. Viele reflektierten die drängenden politischen und ethischen Probleme, die sich aus dem Schicksal der Palästinenser ergaben. Die Vertreibung, über die viele Israelis gern den Mantel des Schweigens gebreitet hätten, wurde in der Literatur wieder sichtbar. Romane und Gedichte von jüdisch-israelischen Autoren spielten eine wichtige Rolle bei der Thematisierung des »Unausge-sprochenen« ...
»Zukünftigkeit« - in seinem Buch analysiert Amir Eshel Debatten in Philosophie und Kulturkritik und beschäftigt sich mit wichtigen Autoren aus Israel, den USA und Deutschland. Die Katastrophen der Vergangenheit seien nicht lediglich zu »bewältigen«, so seine These. Eshel, geboren 1965 in Haifa und Professor für Jüdische Geschichte und Kultur sowie für deutsche und hebräische Literatur in Stanford, meint, dass sich in der unerträglichen Last zugleich ein »Möglichkeitsraum« eröffnet, »Zukünftigkeit«, Maßstab unseres Handelns im Hier und Jetzt (Jüdischer Verlag, 367 S., geb., 34,95 €).
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.