Party in der Wagenburg

Nach dem Pokaltriumph gibt Bruno Labbadia Einblicke in die Gefühlslage eines Klubs, der von innen geschwächt wird

Stuttgarts Kapitän Christian Gentner ist ein besonnener Mensch. Wenn einer wie er bekennt, am liebsten würde er jetzt »einfach im Stadion übernachten« und stolz ein Jubelshirt spazieren trägt (»Wir können alles, auch Berlin.«), muss schon etwas ganz Besonderes passiert sein. Zum Beispiel, dass eine Mannschaft, die nach allgemeiner Einschätzung bislang eine eher miese Saison spielt, mit einem einzigen Spiel die Großwetterlage dreht. 2:1 gewann Gentners VfB Stuttgart am Mittwoch sein Halbfinalspiel gegen eine Freiburger Mannschaft, die zumindest im zweiten Durchgang ungewohnt konzeptlos vor sich hinwerkelte.

Während sich 12 000 Fans der Südbadner also reichlich bedröppelt auf den Heimweg machten, feierten die VfB-Fans nach allen Regeln der Kunst. Und während die neutralen Besucher feststellten, dass die generalüberholte Stuttgarter Arena ein richtig stimmungsvolles Stadion sein kann, muss all das in Bruno Labbadia ein Gefühl ausgelöst haben, das so gar nicht zum allgemeinen Triumphgeheul passte.

Schon nach dem Schlusspfiff zeigte Labbadia im Fernsehsender »Sky«, wie sehr ihm die negative Stimmung der letzten Monate an die Nieren gegangen ist. »Ich bin mit der einen oder anderen Berichterstattung definitiv nicht zufrieden, weil wir seit zweieinhalb Jahren Probleme bewältigen müssen, die wir anstandslos mitgehen. Wir sind zweimal in die Europa League eingezogen, und man hat manchmal das Gefühl, es ist nur Dreck.«

Kein Wunder, dass er nach diesen Worten bei der Pressekonferenz gebeten wurde, noch einmal ins Detail zu gehen. »Hier wird seit Wochen und Monaten über alles gesprochen, nur nicht über den Sport. Und wenn, dann nur negativ.« Man habe die Abgänge des letzten Jahres kaum ersetzen können, immer wieder Leistungsträger abgegeben. Und dennoch werde die Mannschaft an viel zu hohen Ansprüchen gemessen. »Es tut mir leid, aber mit der Champions League kann ich momentan nicht dienen.« Er stelle sich »ganz klar vor die Mannschaft«, die die Negativstimmung am meisten nerve. »Wenn eine Mannschaft die meisten Laufkilometer der Liga macht, obwohl sie auch die meisten Spiele absolviert, dann kann nicht alles schlecht sein.«

Nun könnte man es sich einfach machen und sich fragen, wie genussfähig ein Mensch ist, der selbst in der Stunde des größten Triumphes im Groll zurückblickt anstatt den Moment zu genießen. Man könnte auch einfach die »Wutrede«-Debatte vom vergangenen Oktober aufwärmen. Doch wie so oft, wenn Dinge einfach sind, sind sie in Wahrheit zu einfach. Denn dass dieser Bruno Labbadia nicht für sich, sondern für die gesamte sportliche Leitung und die maßgeblichen Spieler spricht, ist nicht zu übersehen.

Seit der Abschied des zur Selbstherrlichkeit neigenden Präsidenten Gerd Mäuser feststeht, wagt sich auch Sportdirektor Fredi Bobic verstärkt aus der Defensive. Auch er geißelte jüngst in mehreren Interviews die überzogene Erwartungshaltung im Schwäbischen und wies darauf hin, dass man in der gesamten Amtszeit Labbadias unter enormem Spardruck gestanden habe.

Bobic und Labbadia - das hat in den letzten Wochen wohl jeder verstanden - inszenieren keine Eintracht, sie fühlen sich tatsächlich als Schicksalsgenossen in einem schwierigen Umfeld. Und sie stellen sich schützend vor eine Mannschaft, die weiß, dass sie bei der sportlichen Leitung den Rückhalt hat, den ihr Vorstand, Aufsichtsrat und Teile des Publikums oft versagt haben. Das Wort von der »Wagenburgmentalität« ist negativ besetzt. Beim VfB hatten sie zuletzt allerdings oft zurecht das Gefühl, nur dort halbwegs geschützt zu sein.

Was ebenfalls deutlich wurde: Sowohl Labbadia als auch Bobic freuen sich auf die nähere Zukunft. Auf die nächste Saison, in der man »wieder in drei Wettbewerben antritt« (Labbadia). Und darauf, dass offenbar der ein oder andere Wunschspieler an der Angel ist, wie Labbadia später im kleinen Kreis andeutete. »Viele Spieler, für die wir uns interessieren, wissen ja, dass hier gut gearbeitet wird.«

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