Bundesweit Proteste: »Möchte ich Bürger oder Untertan sein?«

Verfassungsschutzchef Maaßen streitet NSA-Vorwürfe gegen deutsche Geheimdienste ab: »Nichts ist übrig geblieben«

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin (Agenturen/nd). Kurz vor den für Samstag geplanten bundesweiten Protesten gegen die massenhafte Datenausspähung durch Geheimdienste hat der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, alle Vorwürfe gegen bundesdeutsche Nachrichtendienste für erledigt erklärt. »Was die angeblichen Verfehlungen der deutschen Nachrichtendienste angeht, bleibt festzustellen: Nichts ist übrig geblieben«, sagte Maaßen der Zeitung »Welt«. Sieben Wochen nach den ersten Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden sagte Maaßen: »Das Einzige, was wir noch nicht wissen: Was ist Prism genau? Was machen die Amerikaner damit in den USA?« Seine eigene Behörde habe jedenfalls überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, »dass die Amerikaner Daten in Deutschland abgreifen«.

Derweil wollen in über 30 deutschen Städten am Samstag Menschen gegen Überwachung und für Datenschutz auf die Straße gehen. Ein Bündnis verschiedener Organisationen hat zu den Demonstrationen aufgerufen. Unter anderem soll es Aktionen in Berlin, München, Hamburg und Hannover geben. Allein in Frankfurt am Main erwarten die Veranstalter 5000 Teilnehmer. Die Organisatoren der Proteste wenden sich gegen eine ausufernde Überwachung und Verletzung der Privatsphäre. Sie fordern umfassende Aufklärung über die NSA-Praxis, neue internationale Vereinbarungen für mehr Datenschutz und mehr Unterstützung für Whistleblower wie den von den USA verfolgten Edward Snowden.

»Jeder muss sich mit Edward Snowden fragen: Möchte ich in einer Gesellschaft leben, in der ein außer Kontrolle geratener Überwachungsstaat täglich meine Privatsphäre verletzt, um jeden meiner Schritte und Gedanken in der digitalen Welt aufzuzeichnen? Möchte ich Bürger oder Untertan sein?«, heißt es in einem Aufruf zu den Aktionen.

Die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Sevim Dagdelen, erklärte, »alle Menschen haben ein Recht auf Privatsphäre und vertrauliche Kommunikation, egal ob beruflich oder privat «. Man könne sich dabei aber nicht auf die Regierungen verlassen, welche die Grundrechte ihrer Bürger offenbar nicht schützten. »Umso wichtiger ist es, dass sich ziviler Widerstand gegen den ausufernden Überwachungsapparat und den sogenannten Krieg gegen den Terror bildet, mit dem die Aushöhlung von Grund- und Menschenrechten gerechtfertigt wird.«

Seit Wochen ist bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern auch in Deutschland auskundschaftet. Umfang und Details der Ausspähung sind aber nach wie vor unklar. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter und IT-Experte Snowden hatte die massenhafte Ausforschung ans Licht gebracht.

Mit dem wahren Ausmaß der NSA-Spähaktivitäten und der Frage, was die Bundesregierung darüber wusste, beschäftigt sich derzeit auch das Parlamentarische Kontrollgremium. Am Donnerstag hatte dort Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) ausgesagt. Während die Regierung die Vorwürfe gegen deutsche Geheimdienste für ausgeräumt hält, sieht die Opposition noch erheblichen Klärungsbedarf. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte in der »Neuen Osnabrücker Zeitung«, es sei ein »durchsichtiges Wahlkampfmanöver«, wenn CDU/CSU und FDP nun versuchten, den früheren Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier in die NSA-Spähaffäre hineinzuziehen. Der SPD-Politiker sei von 1999 bis 2005 Geheimdienstkoordinator gewesen, damals habe es die technischen Möglichkeiten zur millionenfachen Bespitzelung beispielsweise mittels Facebook-Daten noch gar nicht gegeben.

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