Schulerfolg ohne Eltern?
Jürgen amendt über Schule, Lehrer und »Helikopter-Eltern«
Sind Eltern zu sehr besorgt um die Zukunftschancen ihrer Kinder, reagieren deshalb übervorsorglich und konterkarieren damit die pädagogischen Anstrengungen der Schule? Wenn Lehrer und Bildungspolitiker von den sogenannten Helikopter-Eltern sprechen, ist das immer auch ein Stück Abwehr eigener Verantwortung. Wer schulpflichtige Kinder hat, weiß ein Lied davon zu singen. Als mein Sohn in der fünften Klasse sein erstes Referat halten musste, haben wir ihn selbst schalten und walten lassen. Er hat sich in Büchern informiert, im Internet recherchiert, einen kleinen Text verfasst und das Ganze mit selbst ausgesuchten Bildern auf ein Plakat geklebt. Gut, professionell sah das Ergebnis nicht aus; der Text enthielt manchen Schreibfehler und die Bildkomposition war recht zufällig, dafür war es ein Eigenwerk des damals 10-Jährigen. Inhaltlich muss das Referat auch in Ordnung gewesen sein, denn die Lehrerin gab ihm dafür eine Zwei, wegen der Mängel in der Gestaltung des Plakats gab es in der B-Note aber Abzüge, so dass er als Gesamtbewertung eine Drei erhielt. Nur die Mitschülerin, deren Mutter alleinerziehend ist und bei Aldi an der Kasse arbeitet, war noch schlechter.
Wir haben damals die Botschaft verstanden: Die Schule will betrogen werden. Also wurde das nächste Referat ein Gemeinschaftswerk: Sohnemann lieferte die Texte, ich brachte diese in eine professionelle Form und das Gestalten des Plakats übernahm meine Frau. Jetzt stimmte das Ergebnis, eine glatte Eins. Alle waren zufrieden, unser Sohn, wir, aber - was am wichtigsten ist - die Lehrerin und die Schule. Die Mitschülerin mit der Aldi-Mutter hatte übrigens weniger Erfolg, aber sie hat ja auch keine »Helikopter-Eltern«.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.