Weltbürger, Antipolitiker
Gedenkfeier für Lothar Bisky
Mit einer bewegenden Gedenkfeier haben Angehörige, Freunde und politische Weggefährten in Berlin des früheren Linkspartei-Vorsitzenden Lothar Bisky gedacht. Linksfraktionschef Gregor Gysi würdigte ihn in der Volksbühne als warmherzigen und aufrichtigen Menschen, der aufgrund seines herausragenden Charakters eigentlich ein »Anti-politiker« gewesen sei. Der Filmregisseur Andreas Dresen, der bei Bisky studiert hatte, sagte in seiner sehr persönlichen Rede, die wir in der Printausgabe dokumentieren, der frühere Rektor der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam habe ihm gezeigt, was es bedeute, aufrichtig zu sein. Dresen erinnerte daran, wie sich Bisky zu DDR-Zeiten für seine Studenten eingesetzt und diese zu kritischem Arbeiten ermuntert hatte. Es sei hinter seinen »großen Schultern« möglich gewesen, auch Dinge anzusprechen, für die es in der DDR von staatlicher Seite aus keine Öffentlichkeit geben sollte.
Im Beisein des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler, namhafter Linkspartei-Politiker wie Katja Kipping, Bernd Riexinger, Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine sowie vieler Mitstreiter aus dem Europaparlament und der Brandenburger Landespolitik erinnerte der italienische Linkenpolitiker Fausto Bertinotti an den »Weltbürger« Bisky, der auch international hohe Anerkennung genoss. Seine Verdienste bei den anhaltenden Versuchen einer linken Zusammenarbeit in Europa und darüber hinaus würden seinen Tod überdauern, so Bertinotti, der vor Bisky Vorsitzender der Europäischen Linkspartei war. Auch unter schwierigen Bedingungen habe Bisky es vermocht, beim Kampf gegen die Unmenschlichkeit stets Menschlichkeit auch denen gegenüber zu bewahren, die andere Meinungen vertraten. Auch der Vorsitzende des Europäischen Parlaments, der SPD-Politiker Martin Schulz, würdigte Bisky in einem Brief.
Immer wieder wurden bei der Gedenkfeier nicht nur die Großherzigkeit und Wärme Biskys betont, sondern auch die Demütigung angesprochen, die ihm als Bundestagsabgeordnetem der Linkspartei 2005 zugefügt wurde, als er gegen alle Vereinbarungen im Parlament auch nach mehreren Wahlgängen nicht zu dessen Vizepräsident gewählt wurde. Dies habe Bisky nicht deshalb getroffen, weil ihm das Amt verwehrt wurde, sagte sein langjähriger Weggefährte Heinz Vietze von der Rosa-Luxemburg-Stiftung – sondern weil er die »Kulturlosigkeit«, die darin zum Ausdruck gekommen sei, nicht ertragen konnte. Auch am Samstag war kaum jemand aus der ersten Riege der anderen Parteien in die Volksbühne gekommen, um den demokratischen Sozialisten Bisky zu ehren.
Der frühere Ministerpräsident von Bandenburg, Manfred Stolpe, verwies dagegen auf die praktizierte Alternative zu derlei Missachtung und Ausgrenzung – geschehen nach der Wende und als »Brandenburger Weg« bezeichnet, der eine Zusammenarbeit, ja auch ein größeres Maß an Achtung über Partei- und ideologische Grenzen hinweg möglich machte. Stolpe sagte, Bisky sei ein Kämpfer für Wahrheit und Versöhnung gewesen und bleibe »ein Vorbild für eine integrierende politische Kultur«. Lothar Bisky war am 13. August, wenige Tage vor seinem 72. Geburtstag, überraschend gestorben. Gregor Gysi verwies auf die Lücke, die Biskys Tod gerissen habe, und beendete seine bewegende Rede mit den Worten: »Es tut so weh, so weh.«
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