Für Zwillinge gibt’s Rabatt

Xavier-Laurent Petit: »Nicht ganz der Papa« ist ein zauberhaftes Kinderbuch

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Da sitzt das arme Kind in der Wanne, dunkle Steifen im Gesicht und auf dem Bauch, aber längst nicht der ganze Haarschopf ist »schokogoldbraun«, wie versprochen, sondern gescheckt zwischen blond, grau und schwarz. Also noch mehr »Colorbelle« draufgekippt ... Als die Mutter später ins Bad ging, fing sie an zu schreien.

Wie der Zufall spielt, las ich das Buch gerade im Haarsalon. Was macht man in so einem Fall, fragte ich die Friseurin: Bekommt man eine dermaßen missglückte Koloration irgendwie raus? - Kaum! Da hilft nur ... Der Papa in diesem Buch kommt auf die gleiche Idee.

Die ganze Sache hatte ja auch mit ihm zu tun, damit, dass er schwarze Haare hat und sein jüngster Sohn Clovis auch. Yann, von dem hier die Rede ist, aber ist blond und sieht, wie der italienische Lebensmittelhändler sagt, mehr seinem Onkel Jean ähnlich. »Ach ja, finden Sie wirklich?«, sagte der Onkel bloß. Aber Yann war die Kehle wie zugeschnürt. Wenn er nicht Papas Sohn wäre, wurde er vielleicht im Krankenhaus vertauscht? Haben die Eltern ihn gar adoptiert?

Da stellt er sich ein großes, gefliestes Geschäft vor, wo hinter riesigen Scheiben Hunderte von Wiegen stehen, an denen die Erwachsenen vorbeigehen, um sich die passenden Babys auszusuchen. »Gut, das reicht jetzt, hast du dich entschieden«, mag der Papa gesagt haben, wie beim Samstagseinkauf. Und dann haben sie ihn schnell zur Kasse gebracht und zweihundertdrei Euro fünfzig bezahlt. Für Zwillinge hätte es Rabatt gegeben, aber sie wollten nur den einen Jungen. »Ist eigentlich Garantie drauf?«, fragte der Vater noch.

Wie es immer ist, Konflikte würden sich ganz schnell lösen, wenn die Betroffenen unbeschwert darüber sprechen könnten. Aber die Literatur lebt von Missverständnissen, und auch die Wirklichkeit ist voll davon. Yann muss seine Ängste erst auf die Spitze treiben - und die Eltern damit treffen. Sonst hätte es keine Lösung gegeben. Die kommt hier auf eine für erwachsene Leser überraschend unkomplizierte Weise. Das lässt sich Kindern gut vorlesen und erklären. Kinder aus der zweiten Klasse kommen auch allein gut mit dem Buch zurecht. Und selber kann man ein heimliches Lächeln zurückbehalten: Sowas gibt es nun mal im Leben. Und: Yann hat wirklich einen wunderbaren Papa.

Xavier-Laurent Petit: Nicht ganz der Papa. Aus dem Französischen von Anne Brauner. Illustrationen von Gabriel Gay. Ueberreuter. 80 S., geb., 8,95 €.

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