Übungsschuss auf Zivilflugzeug

Vorfall auf Bundeswehrübungsplatz vor Gericht

  • Dieter Hanisch, Oldenburg/H.
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf einem Schießplatz der Bundeswehr in Schleswig-Holstein ist es bereits vor einiger Zeit fast zu einer Katastrophe gekommen: Ein Soldat feuerte bei einem Übungsschießen eine Flugabwehr-Rakete auf ein ziviles Flugzeug ab. Nun stand der Feldwebel, der den entsprechenden Befehl gab, vor Gericht. Doch wirklich aufgeklärt wurde die Sache nicht.

Das hätte ins Auge gehen können. Durch die staatsanwaltliche Strafverfolgung bis vor das Amtsgericht Oldenburg/Holstein ist ein gefährlicher Zwischenfall auf dem Bundeswehrübungsplatz Putlos (Kreis Ostholstein) am 31. Mai 2011 jetzt der Öffentlichkeit bekannt geworden. Bei einem Flugabwehrgefechtsschießen geriet ein bemanntes Flugzeug ins Visier einer Lenkwaffenrakete, die eigentlich auf unbemannte Drohnen als Ziel angesetzt war.

Falsche Uhrzeit

Der infrarot-gelenkte Stinger-Flugkörper war von einem Soldaten auf Befehl eines Feldwebels abgefeuert wurden, traf jedoch nicht und schlug in einem Waldstück ein. Dem heute 27-jährigen ehemaligen Feldwebel Marcleon M. wurde seitens der Anklage ein gefährlicher Eingriff in den Luftverkehr vorgeworfen sowie - laut Wehrstrafgesetz - auch Ungehorsam anderen Vorgesetzten gegenüber, da es offensichtlich zur Verletzung von Dienstvorschriften gekommen war.

Am Übungstag war die vorgesehene Schießbahn erst für 11 Uhr freigegeben, doch der Abschuss erfolgte bereits davor. Die Rakete verließ zudem den Übungssektor und flog in Richtung benachbarte Schießbahn. Dort war gerade ein Zivilflugzeug dabei, im Auftrag der Bundeswehr an langen Seilen Schleppziele in die Höhe zu ziehen, die ebenfalls als Zielobjekte dienen. Statt einer unbemannten Drohne geriet nun dieser Zivilflieger ins Visier. Die Stinger-Treffgenauigkeit liegt nach Bundeswehrbeschreibung bei 80 Prozent. Dass das Geschoss dann doch keinen Schaden anrichtete, war offenbar nur dem puren Glück und fehlender Präzision geschuldet.

Der Ablauf des Vorfalls auf dem Übungsgelände westlich von Oldenburg ist bei allen Beteiligten unstrittig. Wer aber alles Schuld oder welche Schuldanteile an dem Beinahe-Unglück hatte, das wird wohl nun das Truppendienstgericht in Hamburg herausfinden müssen. Der in Oldenburg angeklagte Marcleon M. aus Bremen ging mit einer vorläufigen Einstellung des Verfahrens aus dem Prozess, sofern er innerhalb eines halben Jahres 2000 Euro bezahlt. Darauf verständigten sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung, noch bevor überhaupt die Beweisaufnahme eröffnet wurde.

Ansonsten hätte das Gericht in einem Marathonprozess viele damalige Zeugen, die im gesamten Bundesgebiet verstreut wohnen, zur Befragung laden müssen. Dann hätte es aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine Erörterung der Befehlsketten und eine Diskussion um die Sicherheitsstrukturen gegeben. Um eine abschließende disziplinarrechtliche Bewertung kommt M. aber nicht herum.

Keine offiziellen Zahlen

Erschreckend bleibt, warum es überhaupt zu dem Fehlverhalten und Fehlschuss hatte kommen können, denn die Abläufe solch einer Übung sind normalerweise genau geregelt und abgesprochen. Das Verteidigungsministerium wollte sich zu dem Vorfall nicht äußern. Über die Anzahl solcher Beinahe-Unglücke im Bundeswehralltag gibt es keinerlei Zahlen. Immer wieder gab es aber Zwischenfälle, auch mit tödlichem Ausgang. So wurde erst Ende Mai im Gefechtsübungszentrum des Heeres in der Colbitz-Letzlinger Heide ein Soldat von einem Panzer überrollt.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -