Operation Schadensbegrenzung
Italien verstärkt Präsenz der Marine im Mittelmeer, um mehr Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten
»Wir können nicht zulassen, dass das Mittelmeer ein Meer des Todes ist«. Mit diesen Worten hat der italienische Ministerpräsident Enrico Letta (Demokratische Partei) die »Operation Mare Nostrum« präsentiert. Schiffe, Hubschrauber und auch Drohnen der Marine sollen stärker als bisher im Meer zwischen Libyen, Malta und Sizilien patrouillieren, nach Flüchtlingsbooten und Schiffsbrüchigen Ausschau halten und sie sicher an Land bringen. Es handele sich um eine »militärische und humanitäre« Aktion, die auf der einen Seite Menschenleben retten, auf der anderen aber auch die Schlepperbanden abschrecken soll.
Zu den zwei Schiffen und zwei Patrouillenbooten mit Hubschraubern, die schon jetzt vor Sizilien kreuzen, sollen weitere Mittel hinzukommen, darunter auch ein Lazarettschiff, um die Verwundeten sofort angemessen zu versorgen, und einige Drohnen mit Infrarotkameras, die das Meer auch nachts absuchen können. Insgesamt werden etwa 1500 Soldaten an der Operation teilnehmen, die - so Verteidigungsminister Mario Mauro von der rechten Partei Volk der Freiheit (PdL) - den italienischen Staat weit über 1,5 Millionen Euro pro Tag koste. Der Vize-Regierungschef und Innenminister Angelino Alfano, ebenso PdL, unterstrich, dass man so auch die Grenze besser kontrollieren wolle. Eine Grenze, »die nicht nur eine italienische, sondern auch eine europäische ist«. Damit deutete Alfano die Erwartung an, dass sich die Europäische Union an der Operation zumindest auch finanziell beteiligt und man auf die Unterstützung anderer Länder angewiesen ist.
In Italien hat die Operation »Mare Nostrum« allgemein Zustimmung gefunden, obwohl es vor allem den Flüchtlingsorganisationen lieber wäre, wenn es sich nicht um eine Militäraktion handeln würde, sondern zum Beispiel die Polizei oder der Katastrophenschutz die Aufgabe übernehmen würde.
Während in Rom und in Brüssel weiter über eine mögliche »neue Einwanderungspolitik« debattiert wird, reißt der Flüchtlingsstrom über das Mittelmeer nicht ab. Auf Lampedusa ist man noch dabei, die 385 Särge mit den Leichnamen derer, die bei den großen Katastrophen vom 3. und 11. Oktober im Mittelmeer ums Leben kamen, nach Sizilien zu bringen. Gleichzeitig liefen in den letzten Tagen wieder mehrere Boote mit einigen hundert Flüchtlingen ein. Das für 250 Personen vorgesehene Auffanglager auf der Insel ist wieder hoffnungslos überfüllt. Über 1000 Personen - Männer, Frauen und Kinder - leben dort unter unwürdigen Bedingungen. Darunter sind auch über 100 Flüchtlinge, die die Unglücke überlebt haben. Gegen sie läuft ein Ermittlungsverfahren wegen »illegaler Einwanderung«. Das Gesetz, das dies als Straftatbestand vorsieht, soll aber bald abgeschafft werden. Zumindest wenn es nach Ministerpräsident Letta geht, der »als Politiker und als Mensch« gegen den Paragrafen sei. Eben jener spaltet nun auch die Bewegung 5 Sterne von Beppe Grillo. Während sich einige Parlamentarier seiner Partei bereit erklärt haben, für die Abschaffung des Straftatbestandes zu stimmen, lehnte Grillo dies ab: Man dürfe die rechten Wähler der Bewegung nicht verschrecken, schrieb er im Internet.
Vor Kalabrien gelang der Küstenpolizei derweil ein wichtiger Schlag gegen die Schlepperbanden: Etwa 150 Meilen vom Festland entfernt wurde ein sogenanntes »Mutterschiff« aus Ägypten mit 226 syrischen Flüchtlingen an Bord beschlagnahmt. Von dort aus hätten die Migranten in kleinen Booten an Land gebracht werden sollen. Zehn Schlepper wurden verhaftet.
Ebenso meldete die Marine am Dienstag, bei nächtlichen Rettungsaktionen in der Straße von Sizilien rund 400 Bootsflüchtlinge geborgen zu haben. Mit Hilfe der Küstenwache wurden hundert Kilometer südlich von Lampedusa 80 Einwanderer in Seenot gerettet. Unweit davon seien weitere 210 Flüchtlinge an Bord geholt worden. Die übrigen habe eine alarmierte Handelsschiffsbesatzung aus einem Schlauchboot gerettet.
Nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind in diesem Jahr bereits rund 32 000 Flüchtlinge in Italien und Malta eingetroffen. Die meisten von ihnen stammen aus Eritrea, Somalia und Syrien.
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