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Damals, als alles versandet schien
Erhard Weinholz verdichtet Erinnerungen
Ein Ortsname, der etwas Symbolisches hat: Sandwegsheide - da denkt man an stehengebliebene Zeit. Wie viele solcher Orte gibt es wohl heute in der Mark? Ein verfallender Bahnhof, ein geschlossener Laden, Männer, die irgendwie ihren Tag rumbringen, nicht wirklich von jemandem gebraucht. Stillstand, während anderswo Hektik herrscht. Oder soll man’s Geruhsamkeit nennen?
Man ist versucht, das Buch so gegenwärtig zu lesen, auch wenn auf der zweiten Seite schon von »HO« die Rede ist. Könnte es nicht sein, der Laden würde aus ironischer Bequemlichkeit immer noch so genannt? Aber man hat doch die lobende Bemerkung auf dem Rücktitel gelesen, von keinem Geringeren als Fritz Mierau verfasst: »Die Situation vor dem Untergang des DDR-Schiffs kann vermutlich nicht genauer beschrieben werden, jedenfalls nicht aus dieser Perspektive.« - Bloß ist dieser Untergang nun schon 24 Jahre her. 24! Man glaubt es kaum, wie so viele noch davon umgetrieben sind. Erhard Weinholz wohl auch.
Radeln auf der »Straße der Aktivisten«, »Wettbewerbskonzeption IV. Quartal«, »Matineen im Haus des Eisenbahners«, »Weinsauerkraut VEB (K) Gemüseverarbeitung Blagwitz«, »keene Ersatzteile ... Wer ist schuld? Kto winowat? - vermutlich das Zentralkomitee ...« Detailbewusstes Erzählen, sprachlich gekonnt, atmosphärisch dicht.
Wie der Titel, »Ortsgespräch«, ankündigt, gewinnt das Buch seine Lebendigkeit durchs MiteinanderReden. So manche Flasche wird dabei geöffnet; das lockert die Zungen. »Trinke ich noch ein Bier? Oder rauche ich eine?« - Der Ortszeitungsredakteur Stefan fühlt sich manchmal wie gelähmt, aber kein Problem, sich mit Micha und Wolfgang darüber auszutauschen. Damals, als in Sandwegsheide alles wie versandet schien - und doch in gewisser Weise auch offen, im Nachhinein betrachtet.
Erhard Weinholz: Ortsgespräch oder Erinnerung an Sandwegsheide. Trafo Verlag. 113 S., br., 9,80 €.
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