Sie sind Kaltduscher und sie lieben das Extreme: die »Berliner Seehunde«. Am Sonnabend hatten die Mitglieder von Berlins einzigem Winterbade-Verein zum Eisfasching im Orankesee geladen. Knapp 100 kostümierte Sportler aus dem In- und Ausland tauchten ins ein Grad kühle Wasser.
Wer dick eingemummelt ist, darf nur bis zum Absperrband. Aber das ist den vielen Zuschauern auch recht. Schließlich wollen sie die »verrückten Eisbader« nur aus sicherer Entfernung beobachten. Manch einen lässt schon der Anblick der nackten Körperteile zittern. »Die müssen wirklich verrückt sein«, sagt eine junge Frau fröstelnd. Sie bewundert zwar die Sportler, hätte aber selbst nie den Mut mitzumachen.
Da nützt es auch nichts, wenn Christel Barth, die 67-jährige Vereinsvorsitzende der »Berliner Seehunde«, von »einem Glücksgefühl« spricht, das sich nach jedem
Eisbaden einstellt. »Außerdem tun wir etwas für unsere Gesundheit«, betont die abgehärtete Berlinerin. Widerstandsfähiger sei sie geworden und habe kaum mit Infekten und Erkältungen zu kämpfen.
Das berichten auch viele Mitglieder aus den 16 Vereinen, die am 22. Eisfasching teilnehmen. Sie haben so einfallsreiche Namen wie »Plauener Eisspitzen«, »Oberwiesenthaler Eiszapfen», »Det kolde Gys« oder »Brandenburger Eisbären«.
Sie hüpfen und tanzen zunächst im Rhythmus der Musik. Bunte Perückenhaare wirbeln durch die Luft. Frauen und Männer tragen Hüte, Tücher und Kappen. Aber niemand aus der fröhlichen Menschenmenge hat in diesem Augenblick Strümpfe oder feste Schuhe an. Denn das würde nicht zum Eisfasching passen. Schließlich tauchen die kostümierten Winterbader nach der kurzen Gymnastik unter, so wie es sich das Publikum wünscht. Meistens geht diese Prozedur sehr schnell. Nur wenige posieren vor den Kameras der Fotoreporter. »Weil man mit der nassen Kleidung am Körper natürlich friert«, sagt die Vereinsvorsitzende.
Deshalb springen die Eisbader normalerweise nackt ins Wasser. Nur zum Eisfasching wird eine Ausnahme gemacht. Als Märchenfiguren verkleidet, tanzen die »Berliner Seehunde« in den Orankesee: Der Teufel mit den drei goldenen Haaren, eine Hexe, Frau Holle, der Froschkönig, Schneewittchen, Zwerge und Christel Barth als Goldmarie. Ihre Verkleidung besteht aus alten Gardinen, T-Shirts und Kleidern - nur nicht aus Papier. Dem Publikum gefällt es, und deshalb wird kräftig applaudiert.
Für drei junge Männer aus Hohenschönhausen ist die Veranstaltung eine Premiere. Matthias, Roland und Enrico sind zum ersten Mal in ihrem Leben bei so niedrigen Temperaturen baden gegangen. Mit Strapsen bekleidet, lösen sie eine Wette vom vergangenen Jahr ein. Und wie wars? »Ganz gut, wir hatten es uns schlimmer vorgestellt«, sagt Enrico. Zum Aufwärmen gibt es einen Glühwein. Ob die drei von jetzt an regelmäßig im Winter in das Wasser tauchen, bleibt abzuwarten. Gelegenheit hätten sie dazu: Von Mitte September bis Ende April treffen sich jeden Sonntag um 10 Uhr die Eisbader im Strandbad Orankesee, Gertrudstraße 7.
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