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»Warum ich aufhöre, Jude zu sein. Ein israelischer Standpunkt«
LESEPROBE
Das Thema dieses Essays werden viele Leser als illegitim, ja sogar als hetzerisch empfinden. Viele säkulare Juden, die sich über ihre eigene Identität im Unklaren sind, werden sagen, es sei schierer Unsinn. Andere werden mich für einen widerwärtigen Verräter voller Selbsthass halten. Überzeugte Judophobe werden mein Thema als haltlose, ja dreiste Spekulation betrachten, denn ihrer Meinung nach gehört ein Jude nun einmal einer anderen Rasse an. beide Seiten argumentieren, ein Jude sei eben ein Jude und die Identität etwas Angeborenes, das man nicht einfach abstreifen könne ...
Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass Anfang des 21. Jahrhunderts haufenweise Zeitungen, Zeitschriften und Bücher leider allzu oft behaupten, Juden besäßen besondere angeborene Charakterzüge oder Gehirnzellen, die sie von allen anderen Menschen unterscheiden. Diese Argumentation läuft über dieselbe Schiene wie bei der Hautfarbe: Wie ein Afrikaner seine Pigmentierung, die ihn von Europäern unterscheidet, nicht ändern kann, so steht auch das Wesen des Juden unverrückbar fest.
Nein, ich übertreibe nicht, denn ich lebe in einem Staat, dessen Behörden meine Nationalität als jüdisch registrieren und sich selbst als Staat der »jüdischen Nation« bezeichnen. Seine Gründer und Gesetzgeber halten Israel für das kollektive Eigentum der »Juden der Welt«, ob gläubig oder nicht ...
Wäre nur mein Vater Jude, meine Mutter dagegen laut israelischem Gesetz eine »Goja«, das heißt eine Nichtjüdin gewesen, hätten die israelischen Behörden bei meiner Nationalität »österreichisch« eingetragen, denn ich wurde zufällig nach dem Zweiten Weltkrieg in einem kleinen Flüchtlingslager in Linz geboren. Zwar hätte ich in einem solchen Fall die israelische Staatsbürgerschaft erhalten, doch dass ich auf hebräisch rede, fluche, schreibe und israelische Schulen besucht habe, hätte nichts daran geändert, dass ich mein Leben lang rechtlich als Angehöriger des österreichischen Volkes gegolten hätte ...
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/ Christel BergerSpannung und FaktenWaldtraut Lewin erzählt, wie Eliane Loew sich auf ein Flüchtlingsschiff rettete
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/ Manfred WeißbeckerIm Kampf um die KinderKäthe Raphael erinnert an ihre jüdische Familie
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/ Fokke JoelDie Guten waren nicht nur gutMarie Jalowicz Simon: Atemlos liest man ihre Erinnerungen, wie sie als Jüdin 1940 bis 1945 in Berlin überlebte
Meine palästinensischen Studenten an der Universität, die bestens Hebräisch sprechen und laut Gesetz im vollen Umfang israelische Staatsbürger sind, werden in den Akten des Innenministeriums als »Araber« und nicht als »Israelis« registriert.
Aus Shlomo Sand: »Warum ich aufhöre, Jude zu sein. Ein israelischer Standpunkt« (Propyläen, 155 S., geb., 18 €)
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