Opposition in Kiew will Neuwahlen

Timoschenko: Keine Verhandlungen mit den Behörden / Hilfe durch Adenauer-Stiftung

  • Mattes Dellbrück
  • Lesedauer: 3 Min.
EU-Kommissionspräsident Barroso hat den ukrainischen Staatschef Janukowitsch am Sonntag telefonisch zum Dialog mit der proeuropäischen Opposition aufgerufen. Die aber will ihn stürzen.

Am Vorabend hatte Vitali Klitschko die Regierungsgegner noch einmal heißt gemacht: »Mehr als eine Million Menschen müssen Präsident Janukowitsch klarmachen, dass er unsere Bedingungen erfüllen muss«, appellierte der 42-Jährige an seine Anhänger. Dazu gehöre auch die Freilassung von Julija Timoschenko. »Wer nicht in einem Polizeistaat leben will, sondern in einem modernen Land, sollte nicht gleichgültig bleiben.« Am Sonntag dann wollte die Opposition bei klirrender Kälte zuerst wenigstens 500 000 auf den Kiewer Straßen gesehen haben und erhöhte die Zahl später auf eine Million. Auch die Popsängerin Ruslana, Siegerin des Eurovision Song Contests von 2004, gehörte dazu und rief die Demonstranten zum Durchhalten auf: »Der Maidan ist heute nicht nur ein Platz der Unabhängigkeit, sondern auch ein Platz der Hoffnung.«

Worauf die der wegen Amtsmissbrauchs inhaftierten Ex-Regierungschefin Julija Timoschenko gerichtet ist, verlas Tochter Jewgenia: den »sofortigen Abtritt« ihres einstigen Gegenspielers und heutigen Staatschefs Viktor Janukowitsch. Man dürfe sich nicht an den Verhandlungstisch setzen, bis vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen ausgeschrieben worden seien. Die Demonstranten schwenkten dazu Fahnen der EU und der Ukraine, aber auch schwarz-rote Banner der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), die im Zweiten Weltkrieg vor allem in der Westukraine gegen die Rote Armee und polnische Partisanen kämpfte. Andere stürzten eine Lenin-Statue.

Unterstützung erhielten die Demonstranten wieder von Besuchern aus dem Westen. Der deutsche Europaabgeordnete Elmar Brok von der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) zum Beispiel rief die ukrainische Führung am Sonnabend bei einem Auftritt in Kiew nachdrücklich zu einem europäischen Kurs auf.

Das ist besonders pikant, weil am Wochenende bekannt wurde, dass die EVP und Bundeskanzlerin Angela Merkel den Profiboxer und Politiker Klitschko zum Oppositionsführer und Gegenkandidaten von Präsident Janukowitsch aufrüsten wollen - auch durch gemeinsame Auftritte in der Öffentlichkeit wie beim nächsten Treffen der EVP-Staats- und Regierungschefs Mitte Dezember in Brüssel. Klitschko führt die Partei Udar (Ukrainische Demokratische Allianz für Reformen), deren Abkürzung zugleich »Schlag« bedeutet. Schon jetzt soll sie logistische Unterstützung von der EVP und der Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU erhalten, etwa durch Schulungen für ihre Parlamentarier und deren Mitarbeiter.

Aleksander Kwasniewski, der zuletzt als Unterhändler der EU gemeinsam mit dem früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments Pat Cox Gespräche mit der ukrainischen Spitze geführt hatte, warf der Union indes Naivität im Umgang mit Kiew vor. Bereits seit Sommer sei klar gewesen, dass Russland das EU-Assoziierungsabkommen torpedieren würde. Man habe die Entschlossenheit von Kremlchef Putin unterschätzt. Der polnische Ex-Präsident kritisierte den mangelnden Willen des Westens, der Ukraine aus ihrer dramatischen finanziellen Lage herauszuhelfen. Die harten Kreditauflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF) hätten Kiew geradezu in Richtung Moskau getrieben. Wie der ukrainische Regierungschef Nikolai Asarow am Wochenende erklärte, sei man durchaus zur Bildung einer dreiseitigen Gruppe aus Vertretern der Regierung, der Opposition und europäischen Vermittlern bereit, um eine Lösung für den Konflikt zu finden.

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