»Packt die Knüppel ein!«
Hamburger Studenten demonstrieren gegen das kurz zuvor aufgehobene Gefahrengebiet - sowie für Flüchtlinge und Mieter
Den ersten Erfolg feierte die Gruppe bereits zu Beginn: Die Hamburger Polizei hob kurz zuvor die Gefahrengebiete in den Stadtteilen Altona, St. Pauli und Sternschanze auf. Die Organisatoren machten gleichfalls schnell deutlich, dass sie darin nur einen Teilerfolg sehen. »Die Möglichkeit, solche Gefahrengebiete wieder einzurichten, besteht jederzeit. Sie muss ersatzlos aus den Gesetzen gestrichen werden«, forderte Moritz Krauß, einer der Veranstalter: »Es geht nicht, dass man 100.000 Menschen und drei Stadtteile einfach kriminalisiert und ihnen ihre Grundrechte nimmt.«
Auf Plakaten forderten Teilnehmer eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten, Bleiberecht für alle Flüchtlinge oder fragten einfach nur: »Hat denn der SPD-Senat nicht mehr alle sozialen und demokratischen Tassen im Schrank?« Vor der St. Pauli-Kirche, die zahlreiche der etwa 300 Lampedusa-Flüchtlinge aufgenommen hatte, sangen Demonstranten »Say it loud, say it clear: refugees are welcome here« (Sagt es laut und klar: Flüchtlinge sind hier willkommen). Kofi Anane Mark, einer der Sprecher der Flüchtlingsgruppe, bedankte sich für die Unterstützung: »Für uns als Menschen ist es wichtig, mit gleichen Rechten und Respekt voreinander zu leben.«
Als der Zug an der Davidwache vorbeikam, kam es zu »Lügner«-Sprechchören in Richtung vor der Wache versammelter Polizisten. Unter anderem mit einem Angriff im Dezember auf die Davidwache, dessen tatsächliche Geschehnisse bis heute umstritten sind, hatte die Polizei die Einrichtung eines Gefahrengebiets am 4. Januar begründet. Eine Demo-Mitorganisatorin erklärte: »Wir stehen für ein offenes und solidarisches Hamburg und fordern die so genannte SPD und die Polizei auf: Packt die Knüppel ein!«
Der etwas über zwei Stunden dauernde Zug vom S-Bahnhof Dammtor zu den einsturzbedrohten und im Dezember nach Erschütterungen geräumten Esso-Häusern an der Reeperbahn verlief ohne Zwischenfälle. Der Lautsprecherwagen der Organisatoren genoss angesichts der engen Nebenstraßen zur Reeperbahn sogar die Eskorte durch ein Polizeimotorrad. Bei der Abschlusskundgebung vor den Esso-Häusern wurde die musikalische Beschallung der Demo-Teilnehmer allerdings polizeilich untersagt: Den Häusern drohe ansonsten der Einsturz.
Kritiker werfen dem Eigentümer Bayerische Hausbau vor, durch ausgebliebene Sanierungsmaßnahmen der Verfall der Gebäude mutwillig provoziert zu haben, um lukrative Neubauten errichten zu können. »Es kann nicht sein, dass die Mieter sich als einzige brav an Recht und Gesetz gehalten und immer ihre Miete gezahlt haben und nun die Leidtragenden sind«, erklärte ein Sprecher der Initiative Esso-Häuser, forderte die Offenlegung statischer Untersuchungen sowie ein »Rückkehrrecht und akzeptable Zwischenlösungen für alle Bewohner«.
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