Vitamine verhindern Herzinfarkt nicht
Mediziner empfehlen die ärztlich kontrollierte Einnahme von Spurenelementen und Vitaminen
Aufgrund aktueller Erkenntnisse aus einer umfangreichen Studie sei die ungezielte Einnahme von Vitaminpräparaten nicht zu empfehlen, rät die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM) in einer ihrer jüngsten Veröffentlichungen.
Durchblutungsstörungen bis hin zum Herzinfarkt und Schlaganfall sind oft eine Folge von Schäden, die über viele Jahre an den Blutgefäßen entstanden sind, heißt es in dem DGIM-Papier. Zu den Ursachen dieser sogenannten Atherosklerose zählten auch mangelhafte oder falsche Ernährung. Mitunter fehlte es den betroffenen Patienten an den Vitaminen A, B 6, B 12, C, D, E, Beta-Caroten oder Selen, wird Professor Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM aus Kiel zitiert. »Laborstudien und Tierversuche gaben Anlass zu hoffen, dass diese Nahrungsbestandteile eine Atherosklerose stoppen könnten«, erläutert Fölsch. Denn Forscher hätten ausgerechnet, dass die Zahl der Herzinfarkte weltweit um 31 Prozent und die der Schlaganfälle um 19 Prozent gesenkt werden könnte, wenn jeder Mensch 600 Gramm Obst oder Gemüse am Tag verzehren würde. Die meisten Menschen erreichen diese Ernährungsziele aber nicht. Viele greifen stattdessen zu Vitaminpräparaten aus der Drogerie. Es wäre Fölsch zufolge ja zunächst zu vermuten, dass auch die regelmäßige Einnahme von Vitaminpräparaten Schäden an den Blutgefäßen verhindern kann.
Dieser Annahme widerspricht allerdings eine im British Medical Journal veröffentlichte Meta-Analyse verschiedener klinischer Studien. Sie ergab keinen entsprechenden Nutzen. Koreanische Mediziner haben darin die Ergebnisse wichtiger Therapie-Studien zusammengefasst. Das Team um Belong Cho von der Universität Seoul wertete die Daten von insgesamt 50 Studien mit fast 300 000 Teilnehmern aus. Die Annahmen ließen sich nicht bestätigen: In Präparaten zugeführte Vitamine oder sogenannte »antioxidative« Spurenelemente wirkten weder bei gesunden Menschen vorbeugend, noch nutzen sie jenen, die bereits einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erlitten haben. Dabei spielten die Kombination der Vitamine, Hersteller, Dosis oder Dauer der Einnahme keine Rolle. Einige Studien waren sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einnahme bestimmter Vitamine wie Beta-Caroten das Sterberisiko an Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigert. Das Spurenelement Selen steht überdosiert sogar im Verdacht, das Krebsrisiko zu erhöhen.
Vitaminmangel, so das Fazit der Mediziner, sollte nachgewiesen und erst dann gemäß einer ärztlich empfohlenen Dosis mit zusätzlichen Präparaten behandelt werden. Bei zahlreichen internistischen Erkrankungen seien Menschen dringend auf solche Mittel angewiesen, betont Fölsch. Die DGIM rät aber, sich nicht auf Vermutungen zu verlassen. Solche Mängel könnten durch Labortests nachgewiesen werden. Lägen sie vor, könne man sie wirksam behandeln. Kapseln und Tabletten vorbeugend zu konsumieren, um sich »etwas Gutes zu tun«, sei dagegen nicht ratsam, sondern strapaziere unnötig das Portemonnaie. Hier sei stattdessen vielfältige Ernährung empfohlen und Bewegung im Freien. DGIM/nd
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