An der Weißenseer Spitze

Im Porträt: Nils Foerster, künstlerischer Leiter der BrotfabrikBühne

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 4 Min.

Schnittstelle. Das Wort, dem man eigentlich nicht mehr trauen kann, weil es als Worthülse misshandelt wird, benutzt er oft. Bei ihm wird es der Kommunikation dienend sozusagen rehabilitiert. Nils Foerster, künstlerischer Leiter der BrotfabrikBühne an der Weißenseer Spitze bewies das mehrfach. Vom Vernetzungsgedanken angetrieben, lässt er nicht nach, Kreative zusammenzubringen - Schauspieler, Regisseure, Autoren. Die Arbeit als Theaterleiter liege nicht darin, sich als Künstler groß herauszubringen. Es gehe darum, den Betrieb ordentlich zu organisieren, sagt er. Umso besser, wenn das ideenreich geschieht.

Von der Pike auf lernte er, was sich in einem Theaterbetrieb abspielt. Im »theaterspielplatz«, dem Kinder- und Jugendstaatstheater Braunschweig, lief er sich das an den Sohlen ab. Ein kluger Mensch dort hatte ihm geraten, in alle Ecken vorzudringen, um die Prozesse zu verstehen, die sich an einer Bühne vollziehen. Bis heute ist er sich nicht zu schade, Utensilien nach der Bühnenbilddemontage mit wegzuschleppen. Klar wollte er auch mal Schauspieler werden, akzeptierte jedoch rechtzeitig, dass er dafür nicht geboren ist.

Foerster, Jahrgang 1977, studierte an der Universität Hildesheim Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis samt einem Auslandssemester in der Gemeente Utrecht. »Danach wusste ich, was ich wollte. Schnell raus an die Arbeit!« Willkommen, hieß es in mehreren Theatern. Er könne als Dramaturgieassistent einsteigen. Ohne Bezahlung. Abgeschminkt. Mehr als ein paar Hospitationen auf dieser Basis konnte er sich nicht leisten.

Mach mal, hieß es dagegen an der Landesbühne Sachsen-Anhalt. Man setzte ihn in Eisleben für Theaterpädagogik ein. »Ich bin dort viel über Land gefahren, konnte wieder lernen.« Jedoch die Braunschweiger Erfahrungen führten dazu, dass er mit seinem Start in der Berliner Brotfabrik unbedingt Kindertheater etablieren wollte. Ein anspruchsvolles Ziel. »Schließlich ist Theater für Kinder eines, dass auch noch den Kindern gefallen muss. Sie sind kritisch.« Kunst ist Lebensmittel, hat sich der den Kulturort auch mit Kino betreibende Verein Glashaus auf die Fahnen geschrieben. Lebensmittel braucht der Mensch von Anfang an.

Das war vor sechs Jahren. Die städtische Off-Szene nahm den Neuen kaum zur Kenntnis. Das zum Bezirk Pankow gehörende Theater hatte zuvor nur eine kleine Rolle gespielt. Nun sollte man grundsätzlich niemanden unterschätzen. Wahrscheinlich erst recht keinen, der aus einer Stadt kommt, wo Till Eulenspiegel gelebt haben soll, der sich harmlos gebend unbeirrt seine Streiche trieb, um andere eines Besseren zu belehren.

Abgesehen von gutem Figuren- und Objekttheater für Kinder füllte Nils Foerster für Erwachsene damals zunächst den Spielplan mit allem, was kam. Leben sollte in die Bude. Heute lacht er darüber, setzt andere Maßstäbe - immer freundlich, aber konsequent, auch kompromissbereit, wenn es angebracht ist. Die Auswahl an freien Gruppen in Berlin ist riesig. Weizen und Spreu weiß Foerster zu trennen, hat sein Lehrgeld bezahlt. Selbstzufriedenheit im Künstlerischen hält er für tückisch. »Es kommt vor, dass eine Gruppe sich feiert, weil sie mit Avantgarde Leute aus dem Theater geekelt haben will. Dabei wäre es sinnvoller, sich die Frage nach der Qualität zu stellen.«

8624 Besucher, davon fast 4000 im Kindertheater, hatte die BrotfabrikBühne 2013. 70 Gruppen zeigten 95 Produktionen. Das hier entstandene 24-Stunden-Theater ist aus den Kinderschuhen heraus. Neue Ideen treiben Foerster an. Seit zehn Jahren Mitglied der Dramaturgischen Gesellschaft, unterstützt er die Dramatiker Union. Bevor es im Mai in der Brotfabrik zu »Tagen des Theatertextes & Librettos« kommt, treffen sich dort am 5. März Schriftsteller und Komponisten. Alles öffentlich. Zu seinen Plänen gehört zudem ein »Improtheater-Marathon« über zwölf Stunden im April. Foerster fördert die Sparte, die Impulse braucht. An seiner Bühne gibt es drei Formate, u. a. »Theater ohne Probe: Im Sinne von Brecht«.

Der Rucksack-Berliner, wie wir Zugereiste nennen, hat sich von der Stadt längst schlucken lassen. Von seiner Dachgeschosswohnung unweit des Theaters lässt er gern seinen Blick über die Dächer schweifen. Manchmal verschwindet er im Umland, streift mit Freunden durch die Wälder, um sich Kraft zu holen, der Foerster.

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