Krim-Kise: Bewaffnete sollen Referendum schützen
Russland will eigene Vorschläge in Ukraine-Krise vorlegen / UN-Sicherheitsrat tagt noch am Montag erneut zum Thema
Berlin. Bei dem Russland-Referendum auf der Krim am kommenden Sonntag sollen mehr als 1500 Bewaffnete die Wahllokale schützen. Dabei handele es sich um »Selbstverteidigungskräfte« sowie um eine kürzlich aufgestellte eigene Armee, sagte der selbst ernannte Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow am Montag russischen Agenturen zufolge. Das Parlament der Halbinsel übertrug dem moskautreuen Politiker die Befehlsgewalt. Aksjonow betonte, er hoffe bei dem Referendum auch auf Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Schweiz als OSZE-Vorsitzender habe eine Einladung erhalten, hieß es in der Krim-Hauptstadt Simferopol.
In den vergangenen Tagen waren unbewaffnete OSZE-Militärbeobachter an den Übergängen zur Krim von prorussischen Bewaffneten auch mit Warnschüssen vertrieben worden. Die EU und die USA lehnen die Volksbefragung über einen Anschluss des ukrainischen Gebiets an Russland als illegal ab. In Kiew kritisierte Regierungschef Arseni Jazenjuk die Regierung der Halbinsel erneut scharf. »Das ist eine Gruppe von Kriminellen, die auf verfassungswidrige Weise und unter dem Schutz von 18 000 russischen Soldaten die Macht an sich gerissen hat«, sagte Jazenjuk.
Russland will eigene Vorschläge in Ukraine-Krise vorlegen
Russland will eigene Vorschläge zur Beilegung der Ukraine-Krise vorlegen. Diese sollten helfen, den Konflikt »auf Basis internationalen Rechts« zu lösen, kündigte Außenminister Sergej Lawrow am Montag bei einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit Präsident Wladimir Putin an. Die Vorschläge sollten zudem »die Interessen von ausnahmslos allen Ukrainern« berücksichtigen. Die mit dem nationalen Sicherheitsrat Russlands ausgearbeiteten »Gegenvorschläge« gelten demnach als Antwort auf Pläne aus Washington für ein Ende des Konflikts. Moskau erhielt das US-Papier am Freitag, es enthalte aber ein Konzept, »mit dem wir nicht wirklich einverstanden sind«, sagte Lawrow. Zur Begründung hieß es, dass darin von einem »Konflikt zwischen Russland und der Ukraine« ausgegangen werde.
Neue EU-Sanktionen gegen Russland
Im Konflikt mit Russland um die Krim wird die EU voraussichtlich am kommenden Montag (17.3.) zusätzliche Sanktionen gegen Moskau beschließen. Einen Tag nach dem von der EU nicht anerkannten Referendum über den Beitritt der ukrainischen Halbinsel zu Russland am kommenden Sonntag könnten die EU-Außenminister bei einem seit langem geplanten Treffen in Brüssel Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängen, wie Diplomaten am Montag sagten.
Bundesregierung droht mit weiteren Sanktionen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Montag Russland nochmals zur Mitwirkung an einer internationalen Kontaktgruppe zur Lösung der Krim-Krise aufgefordert. »Die Zeit für einen solchen Versuch des Gesprächs und der Verständigung drängt«, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Allerdings habe die russische Seite immer noch nicht die »nötige Bereitschaft« gezeigt. Moskau weigert sich bislang, mit der neuen Führung in Kiew in einem solchen Format zu reden.
Seibert verwies zugleich auf den von der EU beschlossenen Fahrplan für Sanktionen. »Wir wollen ganz klar den Weg des Gesprächs und der Verständigung. Noch ist es nicht zu spät. Es bleibt noch ein wenig Zeit. Aber wir sind gegebenenfalls auch bereit, zu handeln.« Deutschland sei auch zu einer »breiten Palette an wirtschaftlichen Maßnahmen« bereit. Die EU hatte vergangene Woche einen Drei-Stufen-Plan beschlossen, falls sich Russland von der Krim nicht zurückzieht. An diesem Donnerstag will Merkel im Bundestag eine Regierungserklärung zur Entwicklung in der Ukraine abgeben.
Sewastopol geht offiziell zur Russischen Sprache über
Die Hafenstadt Sewastopol auf der Krim geht offiziell zur Russischen Sprache in rechtlichen und amtlichen Angelegenheiten über. Ein Beschluss des Stadtkomitees, über den die Online-Zeitung »Neues Sewastopol« berichtete, wird ab Mittwoch umgesetzt. Sergej Aksjonow, Regierungschef der Krim, kündigte für »die Autonomie« mit Russisch, Krimtatarisch und Ukrainisch drei Amtssprachen an. Andere Nationalitäten, darunter die Ukrainer, könnten ihre Sprachen »ungehindert nutzen und entwickeln«.
Chinas Staats- und Parteichef Xi ruft zur Besonnenheit auf
Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat zur Besonnenheit in der Krim-Krise aufgerufen. In einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama rief Xi Jinping am Montag alle Seiten zu Ruhe und Zurückhaltung auf, um eine Eskalation zu vermeiden, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Xi Jinping wies auf die komplexe Lage in der Ukraine hin und mahnte, die Differenzen durch politische und diplomatische Mittel zu lösen.
Nach Ansicht von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen darf der Westen den Gesprächsfaden mit Russland trotz geplanter schärferer Sanktionen nicht abreißen lassen. »Das Wichtigste: Immer wieder die Gesprächsräume öffnen«, sagte die CDU-Politikerin am Montag in der ARD. Als Beispiele nannte sie den Nato-Russland-Rat und die OSZE. »Da ist Russland drinnen, da muss der Gesprächsfaden aufgenommen werden«, sagte von der Leyen. Wenn das nicht funktioniere, gehe es um Sanktionen. »Und ganz klar: Die Nato macht deutlich, welche Kräfte sie hat.«
Steinmeier droht mit Verschärfung der Sanktionen
In der Krim-Krise halten die Spannungen weiter an. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte Russland, mit seiner, wie der SPD-Politiker sagte, unnachgiebigen Haltung in der Krim-Krise eine baldige Verschärfung der EU-Sanktionen zu provozieren. »Wenn es in den Gesprächen, die morgen oder übermorgen vielleicht noch anstehen, wenn es dann nicht zu entsprechender Bereitschaft kommt, sich auf der russischen Seite zu bewegen, dann wird man die nächste Stufe der Sanktionen erreichen müssen«, sagte Steinmeier im ZDF. Diese EU-Sanktionen sehen Reisebeschränkungen sowie Kontensperrungen für bestimmte im Ukraine-Konflikt verantwortliche Personen vor.
Lobbyverbände der deutschen Wirtschaft hatten mehrfach vor Sanktionen gewarnt. »Deutschland ist auf russische Energierohstoffe angewiesen. Denn wir beziehen ein Drittel aller Energierohstoffe aus Russland«, sagte nun der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, der »Rheinischen Post«. Er verwies darauf, dass durch Energielager und -vorräte in Deutschland die deutsche Wirtschaft »drei bis vier Monate versorgt werden« könne.
Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat das Vorgehen Russlands in der Ukraine als völkerrechtswidrig kritisiert - sich aber auch gegen die Politik der Europäischen Union ausgesprochen. Die Europäische Kommission sei qualitativ in einem desolaten Zustand und habe »nicht im entferntesten kapiert (...), dass das ein kulturell gespaltenes Land ist, und dass man mit einem solchen Land so nicht umgehen kann«, sagte Schröder am Sonntag in Hamburg. Die Kommission habe schon am Anfang den Fehler gemacht, ein Assoziierungsabkommen unter dem Motto »entweder-oder« abschließen zu wollen. Schröder ist ein Freund von Russlands Präsident Wladimir Putin.
»Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, ein Verstoß gegen das Völkerrecht«, so der Altkanzler. Dennoch wolle er Putin, der seiner Ansicht nach »Einkreisungsängste« hat, nicht verurteilen. Er selbst habe als Kanzler beim Jugoslawienkonflikt ebenfalls gegen das Völkerrecht verstoßen. »Da haben wir unsere Flugzeuge (...) nach Serbien geschickt und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt - ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.« Insofern sei er vorsichtig mit dem erhobenen Zeigefinger. Skeptisch zeigte sich Schröder hinsichtlich der Motive der früheren ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko. »Von der weiß man ja auch nicht, welche materiellen Interessen sie hat. Die Gefahr (...) ist doch, dass die gewaltigen Hilfsgelder, (...) für die ich bin, wieder in den falschen Kanälen landen können.«
Derweil haben vor dem für Sonntag geplanten Referendum über einen Anschluss der Krim an Russland in mehreren Großstädten der Süd- und Ostukraine Tausende demonstriert und für die Abstimmung plädiert. Der Westen sieht jedoch in der von Moskau demonstrativ unterstützten Vorbereitung des Krim-Referendums eine Eskalation der Lage. Auch in anderen Teilen der Ukraine gingen die Proteste am Wochenende weiter. Im östlichsten Verwaltungsgebiet Lugansk stürmten am Sonntag Aktivisten den Sitz der Regionalregierung und erklärten den Gouverneur für abgesetzt. Demonstranten seien in Bussen aus Russland über die nahe Grenze zu der Kundgebung gefahren, berichteten örtliche Medien. Auch in Donezk und Odessa protestierten Tausende gegen die neue Staatsführung in Kiew. Im ostukrainischen Charkow hingegen, der zweitgrößten Stadt des Landes, gingen etwa zehntausend Menschen für einen Verbleib in der Ukraine auf die Straßen.
Die Bewohner der Halbinsel sollen in einem Referendum am nächsten Sonntag darüber entscheiden, ob sich die Krim der Russischen Föderation anschließt. Eine Mehrheit dafür gilt als wahrscheinlich. Die über Jahrhunderte russische Halbinsel gehört völkerrechtlich zur Ukraine. Die Regierung in Kiew und der Westen werfen Russland vor, die Halbinsel vor etwa einer Woche völkerrechtswidrig unter Kontrolle gebracht zu haben.
Unterdessen hat Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen scharfe Kritik an IOC-Präsident Thomas Bach geübt. Roth sagte der »Saarbrücker Zeitung«, dass Bach »jetzt als Herr des IOC bei der Eröffnung der Paralympics mit Putin Champagner trinkt, das ist für mich unerträglich«. Roth ergänzte, das sei »eine Verhöhnung der Opfer auf dem Maidan. Und auch der Menschen, die weltweit in der jetzigen Situation Angst haben«. Angesichts der Lage auf der Krim hätte sie erwartet, dass Bach »darüber nachdenkt, ob die Paralympics, die ja von ganz großer Bedeutung für die Sportler sind, an einem Ort stattfinden können, der nur 500 Kilometer von der Ukraine entfernt ist«. Sie habe schon »außerordentlich bedauert«, so Roth, dass der IOC-Präsident am Ende der Olympischen Spiele in Sotschi sich explizit bei Putin bedankt habe. »Den Dank an den Staatspräsidenten habe ich bei anderen Spielen so nie vernommen.« Agenturen/nd
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