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Eine spannende Debatte
Ist eine Demokratisierung der Wirtschaft überhaupt möglich?
»Demokratisches Wirtschaften von unten ist, örtlich oder regional vernetzt oder auch als Einzelprojekt, möglich. Dafür sprechen Tatsachen, auch in Deutschland«. Diese optimistische Aussage stammt von Ulla Plener.
Die renommierte DDR-Historikerin beschäftigt sich seit Jahren in ihren Forschungen und Schriften mit Theorie und Praxis der Wirtschaftsdemokratie. Daher war es nur konsequent, dass der von ihr mitbegründete Förderverein für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung zu ihrem 80. Geburtstag eine Tagung unter das Thema »Demokratische Transformation als Strategie der Linken« stellte. Daran beteiligten sich ausgewiesene Experten aus der alten Bundesrepublik und der DDR sowie viele junge Nachwuchswissenschaftler.
Der Tagung entsprang der hier anzuzeigende Band. Er enthält wichtige Anregungen für eine konstruktive linke Strategiedebatte in- und außerhalb der Parlamente sowie in den Gewerkschaften und sollte deshalb einen breiten Leserkreis, nicht nur unter Genossen und Genossinnen der Linkspartei und der SPD, sondern auch deren Spitzenfunktionären und Wirtschaftsexperten finden.
Ralf Hoffrogge stellt die Debatten über die Demokratisierung der Wirtschaft in der Zeit der Weimarer Republik vor. Nachdem die in der Novemberrevolution aufblühenden rätedemokratischen Modelle im Bündnis von Freikorps und SPD-Führung blutig zerschlagen waren, begann Mitte der 1920er Jahre in der Sozialdemokratie eine neue Debatte über wirtschaftsdemokratische Konzepte, die im Heidelberger Programm von 1925 ihren Niederschlag fand. Ziel war, den Kapitalismus zu bändigen, nicht abzuschaffen.
Doch in Deutschland hatten selbst solche reformkapitalistischen Konzepte nie die Chance einer praktischen Umsetzung. Von jenen ließ sich aber die arbeiterzionistische Aufbaugeneration im späteren Israel inspirieren. Einer der wichtigen sozialdemokratischen Theoretiker der Wirtschaftsdemokratiekonzepte in Weimarer Zeit war Fritz Perez Naphtali, der vor den Nazis nach Palästina floh.
Die Feminismusforscherin Gisela Notz untersucht wirtschaftsdemokratische Elemente in der Geschichte der Genossenschaftsbewegung. Einbezogen sind in diesem Band auch internationale Erfahrungen. Sarah Graber und Kamil Majchrzak zeichnen die Diskussionen über Arbeiterselbstverwaltung in der Frühphase der polnischen Solidarnosc-Bewegung nach. Offen bleibt hier allerdings, wie stark diese Tendenzen wirklich waren. Schließlich konstatieren die Autoren, dass auch die erklärten Marktwirtschaftler, die eine starke Konkurrenz zwischen den Betrieben propagierten, von Anfang an in der Solidarnosc-Bewegung vertreten waren. Von besonderem Interesse dürften die Erfahrungen sein, die mit selbstverwalteten Betrieben in Argentinien gemacht wurden. Jörg Roesler hat sich damit intensiv befasst.
Auch kritische Stimmen zur Wirtschaftsdemokratie sind in diesem Band vertreten. So spricht der Politologe Michael Hewener von einer doppelten Illusion: »die eines möglichen demokratischen Kapitalismus und die eines möglichen Übergangs zum demokratischen Sozialismus«. Er vertritt den Standpunkt, staatliche Eingriffe in die Wirtschaft dienen stets nur der Verbesserung der Kapitalakkumulation und nicht der Demokratisierung.
Gerade solche kontroversen Einschätzungen und Urteile weisen dieses Buch als eine exzellente Diskussionsgrundlage über das Verhältnis von Demokratie und Wirtschaft aus, um das es in der heutigen Bundesrepublik arg bestellt ist - was wohl keiner ernsthaft negieren kann.
Axel Weipert (Hg): Demokratisierung von Wirtschaft und Staat. Nora Verlag. 230 S., br., 19 €.
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