Was in dir steckt

Ein Buch, das Kindern »unter die Haut« geht

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 3 Min.

Gunther von Hagens kann einpacken. Die Räume unterm Berliner Fernsehturm, in denen der umstrittene Plastinator im Herbst eine Dauerausstellung seiner »Körperwelten« eröffnen möchte, können anderweitig genutzt werden. Denn ein Kinderbuch von Clive Gifford (Text), Mark Ruffle (Illustration) und Katie Knutton (Gestaltung) gewährt Einblicke in den menschlichen Körper nicht viel weniger faszinierend als von Hagens Plastinate - und braucht dafür statt echter Leichen nur Pappe, Plaste, Papier und gute Ideen - ethisch alles völlig unbedenklich.

Aber das soll ein Mensch sein, der uns da durch ein kopfförmiges Stück Klarsichtfolie aus dem Inneren des dreidimensionalen Buches anschaut? Das Glubschauge sieht doch eher aus wie eine Webcam, die Muskelstränge erinnern an Datenkabel, der aufgebrochene Schädel wirkt wie die Maske von Darth Vader ... Wer fasziniert ist von Robotern, Androiden und modernster Technik, der wird staunen, welch ausgeklügelt konstruiertes Wunderwerk erst der menschliche Körper ist. 250 000 Schweißdrüsen an jedem Fuß! Allein im Kopf: über 60 Muskeln! 10 000 Geschmacksknospen auf der Zunge! Seite für Seite dringt man tiefer vor in die Geheimnisse, die da im eigenen Inneren das biologische Leben am Laufen halten.

Der erste Teil des Buches, das zugleich eine Schachtel ist, trägt, angefangen vom Gesicht und den Haaren, Stück für Stück die Schichten des Kopfes ab: Gesichtsmuskeln, Schädel, Zähne, Augen und Ohren, Nase und Zunge, schließlich das offenbar jedem Computer überlegene Gehirn - in kurzen, leicht verständlichen, manchmal aber arg klein gedruckten Texten wird erklärt, was dort oben alles in dir steckt und wie es funktioniert. Nur die Geschlechtsteile fehlen.

Teil zwei geht dann in den Rumpf: das Nervensystem und die Muskeln, all die Knochen des Skeletts, Gelenke und Organe - wozu sind sie da? Wie arbeiten sie? Wer sich auf die Abenteuerreise begibt, zu der dieses Buch einlädt, wird es erfahren. Und ganz am Ende auf die beunruhigende Erkenntnis stoßen, dass diese lebendige, perfekt gebaute Maschine, die man selber ist, auch jede Menge Dreck enthält. »In deinem Blut sammeln sich Abfallstoffe. Sie werden immer mehr und würden deinen Körper irgendwann vergiften.« Das wäre wirklich schade. Zum Glück aber gibt es ein Klärwerk: die Nieren. Puh, gerettet.

»Der Körper« - ein plastischer Crash-Kurs in Anatomie für Kinder im späten Vorschul- und im Grundschulalter. Toll!

Clive Gifford /Mark Ruffle u.a.: Der Körper ... unter die Haut geschaut. Dorling Kindersley. 24 S., geb., 16,95 €.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.